Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
3 Februar 2020 

Erwachen (2)

„Prozess“

 

Wissen liegt weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Diese sind unwirklich. Schau in dein Leben zu einem beliebigen Zeitpunkt, wenn du atmest, wenn du siehst, wenn du hörst: Was weißt du?

Der Verstand hat zu jedem beliebigen Zeitpunkt nur einen Gedanken. In deinem ganzen Leben, in jedem Augenblick, kennst du nur einen einzigen Gedanken. Du bist nicht in der Lage, zwei Gedanken zu einem bestimmten Zeitpunkt im täglichen Leben zu haben.

Das ist dein Daseinszustand, und du sprichst von Wissen? Zu jedem beliebigen Zeitpunkt ist selbst die gegenwärtige numerische Zeitdauer nicht existent, weil sie nicht bekannt ist. Die numerische Zeitdauer ist ein Gedanke, und der Gedanke ist eine Illusion von Ton im Augenblick. 

Dann wirst du wissen, wie du mit Wissen und mit dem, was auch immer es an Gedanken sein mag, umgehen kannst. Wenn Wissen also das ist, was wir nur durch Worte kennen lernen und Laute keine Bedeutung haben, weißt du ziemlich gut, dass Worte eine illusionäre Bedeutung haben. 

Verstehe, dass Worte durch die Bedeutung der Worte anderer vermittelt werden, und du legst deine sprachliche Bedeutung auf die Worte, die als Wissen aufgefasst werden. Es handelt sich um illusionäres Wissen, das durch den Austausch von Lauten entsteht.

Ton gehört nicht zu dir; Ton manifestiert sich in dir durch die Intelligenz des Lebens. Worte haben eigentlich überhaupt keine Bedeutung. Deshalb gibt das linguistische Vermögen im Verstand den Lauten eine illusionäre Bedeutung und wandelt sie in illusionäres  Wissen um und legt es in den Verstand, wo es sich befindet.

Was könnte also „Wer bin ich" sein? Du bist dir darüber im Klaren, dass du nur durch Wissen im Wachzustand dazu kommen kannst, etwas zu wissen. Dein Daseinszustand ist nur im Wachzustand. Du musst dich also mit der Frage auseinandersetzen, wer ich bin?

Und wie? Wenn du weißt, dass du in jedem Moment, solange wir in dieser Welt atmen, nur ein Wort wissen kannst, kannst du nur ein Wort wissen, nicht mehr als das. Man weiß nicht das gesamte Wissen in einem bestimmten Moment, es ist nicht möglich. 

Auf diese Weise fließt dein Leben in jedem Moment. Wenn es eine Handlung gibt, gibt es kein Wort im Verstand, wohlgemerkt. Der Gedanke an eine Handlung als Wort ist bekannt, wenn es gerade keine Handlung im Moment gibt.  

Wenn eine Handlung im Gange ist, gibt es keinen Gedanken im Verstand. Verstehe, dass ein Gedanke ein Wort ist.  Die Handlung ist sehr schnell, und wenn eine Handlung abwesend ist, gibt es ein Wort. Und wenn das Wort vorhanden ist, wird es in den darauf folgenden Momenten Worte geben.

Die Weisen verstehen, dass es in jedem Moment des täglichen Lebens nur Licht und Ton gibt. Das Erwachen ist ein tiefer Verständnisprozess, der im Moment im „Hier und Jetzt" durch die Intelligenz im Leben vollendet wird. 

Die Erleuchteten sind erwacht und erkennen, dass das tägliche Leben eine Illusion von Licht und Ton ist.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V.S. Shankar 2020 

Anmerkung des Herausgebers:
Wissen an sich ist in menschlichen Angelegenheiten hoch angesehen. Es umfasst die Summe dessen, was aus der Welt der belebten und unbelebten Phänomene bekannt ist oder bekannt wird. Es wird als die Essenz dessen anerkannt, was von Lehrer zu Schüler weitergegeben und im Gedächtnis gespeichert wird. Die Wirksamkeit dieses Prozesses wird regelmäßig überprüft.
Weisheit an sich wird nicht allgemein verstanden und kann auch nicht allgemein verstanden werden. Sie ist weder für das Lehren noch für die Weitergabe von Mensch zu Mensch zugänglich. Weisheit ist ein Konzept, das sich auf diejenigen bezieht, die als weise gelten oder denjenigen, die auf der Suche nach Wahrheit sind, Weisheit anbieten. So ist die Integrität der spirituellen Händler, die auf öffentliche Nachfrage eingehen.
Die Weisen bekennen sich nicht dazu, diejenigen zu lehren, die ihnen auf ihrer Reise zufällig begegnen. Doch ihr tiefes Verständnis der Intelligenz des Lebens, das so großzügig geteilt wird, wirkt sich für diejenigen, die erwachen, verwandelnd aus, wenn es so sein soll.
Julian Capper. Großbritannien.  

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Es wird allgemein angenommen, man könnte einen Gedanken aus einem vorhergehenden heraus entwickeln. Dazu bräuchte man dann die Fähigkeit, zwei Gedanken gleichzeitig haben zu können, denn nur wenn man den vorigen und den daraus folgenden Gedanken gleichzeitig denken könnte, könnte der eine aus dem anderen hervorgehen, sonst würde man ja den Zusammenhang nicht im Blick haben können. Dr. Shankar erläutert in diesem Artikel und anderswo, warum dies nicht möglich ist, denn in jedem Moment ist nur Licht und Ton im Leben, das als jeweils nur ein einziger Gedanke im Verstand in einem bestimmten Moment in Erscheinung treten kann. Das offenbart, dass Licht und Ton auf eine mysteriöse Weise einfach dahinfließen, sodass es präzise so aussieht, als würde ein Gedanke aus einem vorhergegangenen hervorgehen. Das dies so sei, ist ein weiterer Gedanke, der danach geschieht, oder auch nicht. Was für ein Wunder das Mysterium der Gedankenwelt ist, in der das menschliche Ego lebt und das es fälschlicherweise für die Realität hält! Schritt für Schritt erklärt und begleitet Dr. Shankar in dieser Artikelserie den Erwachensprozess, wie er von der Intelligenz im Leben spontan und präzise im Leser, wenn es so bestimmt ist, manifestiert wird. Die erwachten Weisen leben nicht IN, sondern MIT ihren Gedanken. 
Marcus Stegmaier, Deutschland. 

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