Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
The Netherlands
3 Mai 2016

Gedankenfreier Zustand

„Gedankenvoller Zustand“

Der Mensch glaubt immer, er wäre voller Gedanken. Gedankenfrei zu sein ist attraktiv für den Menschen, denn er sehnt sich nach einem gedankenfreien Zustand. Wäre der Mensch jedoch gedankenfrei, könnte er sein tägliches Leben noch leben? Darüber sollte man weise nachdenken.

Es ist offensichtlich, dass der Mensch nicht in der Lage wäre, sein tägliches Leben ohne Gedanken zu leben und er Gedanken benötigt, um sein tägliches Leben zu leben. Daher sollte man weise darüber nachdenken, was ein gedankenfreier Zustand sein könnte.

Erstens ist es weise zu verstehen, dass Gedanken nur mit Unterbrechungen und nicht kontinuierlich da sind. Wären Gedanken ununterbrochen, gäbe es keine Chance für einen gedankenfreien Zustand zu existieren.

Zweitens ist es weise zu verstehen, dass der Mensch, falls Gedanken andauernd da wären, erschöpft würde und nicht in der Lage, sein tägliches Leben zu leben. Daher sind Gedanken mit Unterbrechungen präsent und nicht kontinuierlich, aus offensichtlichem Grund. Das heißt, der Mensch ist auch gedankenfrei, von Zeit zu Zeit.

Drittens ist es weise zu verstehen, dass der Mensch nicht in der Lage wäre, zu verstehen, was irgendein Gedanke bedeutet, wenn die kontinuierlichen Gedanken nicht voneinander getrennt wären.

Viertens ist es weise zu verstehen, dass in irgendeinem Moment immer nur ein Gedanke ausgesprochen oder gedacht werden kann, weil es unmöglich ist, im selben Moment entweder zwei Gedanken gleichzeitig zu denken oder auszusprechen.

Da der Mensch zwischen Gedanken und von Zeit zu Zeit gedankenfrei ist und nur ein Gedanke gedacht oder ausgesprochen werden kann, ist das nächste, worüber man weise nachdenken muss, was ein kontinuierlicher, gedankenfreier Zustand sein könnte, der den Menschen auch in die Lage versetzt, sein tägliches Leben zu leben.

Der Hinweis, was gedankenfreier Zustand bedeutet, ist in einem weisen Verständnis von Gegenteilen enthalten. Gegenteile werden benötigt, damit man irgendeinen Gedanken mit Bedeutung verstehen kann. Gegenteile sind zwei nicht voneinander getrennte Gedanken; sie sind miteinander als einzelner Gedanke verbunden. Wären zwei Gedanken voneinander getrennt, könnte kein Gedanke durch eine Bedeutung verstanden werden, denn nur ein Gedanke könnte in irgendeinem Moment gedacht werden und nicht zwei Gedanken im selben Moment.

Daher impliziert das weise Verständnis, dass zwei Gedanken als ein Gedanke mit Bedeutung erscheinen, dass Gedanken unteilbar sind, jedoch teilbar erscheinen, wenn Gedanken geschehen. Die Bedeutung dieses Verständnisses ist, dass – weil das Leben aufgrund von Gedanken, die unteilbar sind, bekannt ist – das Leben unteilbar ist.

Das Verständnis, dass das Leben unteilbar ist, ist der gedankenfreie Zustand oder Erleuchtung.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2016

Anmerkung des Herausgebers:
Ein herausfordernder Artikel, der aus der Weisheit Dr. Shankars strömt. Nichtsdestoweniger, der gedankenfreie Zustand des Verstandes hat eine positive Anziehungskraft für einen Mann und eine Frau in der Erwartung, dies würde ihm eine gewisse Freiheit bieten von den gewohnheitsmäßigen Schwierigkeiten, die mit Gedanken und Denken einhergehen. Umgangssprachlich bedeutet gedanken-voll zu sein, jedoch normalerweise, eine stille Überlegung.
Für die Menschheit enthüllt dieser Artikel eine vollkommen neue Wahrnehmung von Gedanken, dass nämlich die Bedeutung eines einzelnen Gedankens mit der Gegenwart seines Gegenteils versehen ist, das nicht von ihm getrennt ist. Es ist keine Trennung möglich, keine Teilung, in dieser Erkenntnis. Das Leben hat keine Trennung.
Julian Capper, Großbritannien.

Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Illusionäre Kommunikation ist der Grundpfeiler des Menschseins. Schon in der griechischen Antike nannte der wegweisende Philosoph Aristoteles, den Menschen zurecht ein zoon politikon, ein soziales Wesen. Dr. Shankar macht in diesem weisen Artikel klar, dass der spirituelle Traum des Menschen, seine allzu oft quälenden Gedanken vollkommen auszumerzen, nicht mit dem Alltagsleben vereinbar wäre. Schließlich hat keiner jemals mit äußerem und innerem Schweigen einen Einkauf getätigt oder sich mit seinen Mitmenschen sonst irgendwie verständigt. Das auf Kommunikation fußende Menschsein steht selbstverständlich auch dem Erleuchteten, von dem man annimmt, dass er sich in einem gedankenfreien Zustand befindet, offen. Dieser von einem Erleuchteten geschriebene Artikel selbst wäre ja ohne Sprache nicht möglich.
Marcus Stegmaier

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