Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
The Netherlands
8 August 2016

Du hast gemacht oder hast nicht gemacht

„Herangehensweise“

Warum man etwas getan oder warum man etwas nicht getan hat, ist eine normale Herangehensweise in jeder Beziehung, sei es zwischen Ehemann und Ehefrau, Geschwistern oder Freunden. Die Worte „Warum hast du das getan oder nicht getan?“ beziehen sich auf alles, was gesagt oder getan oder nicht gesagt oder nicht getan wird.

Die Worte „Warum hast du das getan oder nicht getan?“ treten grundsätzlich in jeder Form von Beziehung auf. Die Worte bilden die Grundlage eines Streitgesprächs, das nun folgt oder auch nicht. 

Die Worte „Warum hast du das getan oder nicht getan?“ erscheinen logisch und vernünftig und bedeutsam. Man hält sie in jeder Beziehung für notwendig. Keine Partei in der Beziehung wird dafür schief angesehen, diese Worte zu verwenden.

Nichtsdestoweniger ist Liebe bedingungslos. Wenn man also die Worte „Warum hast du das getan oder nicht getan?“ verwendet, impliziert dies nicht bedingungslose Liebe. Was könnte nun das Verständnis sein, was dazu führt, dass man die Worte „Warum hast du das getan oder nicht getan?“ niemals verwendet, das ist die Frage, über die man nachdenken sollte.

Wie der gegenwärtige Moment geschieht, kann man nicht wissen; und auch, was im gegenwärtigen Moment geschieht, kann man mit Sicherheit erst wissen, nachdem es geschehen ist. Wenn der Mensch derjenige wäre, der irgendetwas im Moment mit Sicherheit geschehen ließe, würde er sicherlich wissen, was im Moment geschehen wird, bevor irgendetwas im gegenwärtigen Moment geschieht. 

Dementsprechend kann man auch nicht wissen, was im nächsten Moment geschehen könnte. Wenn man nicht wissen kann, was im nächsten Moment geschieht, impliziert dies: Was in irgendeinem Moment in der Zukunft geschehen könnte, wird man erst wissen, nachdem es geschehen ist.

Das impliziert, dass es nicht der Mensch ist, der sagt, was gesagt wird, oder tut, was getan wird. Die Worte „Warum hast du das getan?“ sind also weder wahr noch ist es im Bereich der Möglichkeiten eines Mannes oder eine Frau. Was gesagt oder getan wird, wird vom Leben gesagt oder getan. 

Genauso sind die Worte „Warum hast du das nicht getan?“ also aus denselben Gründen weder wahr noch ist es im Bereich der Möglichkeiten eines Mannes oder eine Frau.

Die Erleuchteten haben richtigerweise verkündet, dass der Mensch nicht der Handelnde ist. Wenn dem Menschen das Verständnis geschieht, dass das Leben manifestiert, was gesagt oder getan wird, und es nichtsdestoweniger illusionär ist, werden die Worte „Warum hast du das getan oder nicht getan?“ nicht vom Leben manifestiert. Bedingungslose Liebe und Harmonie beginnt in der Familie und unter Freunden zu bestehen.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2016

Anmerkung des Herausgebers:
Das Leben des Menschen ist voller Handlungen. Selten vergeht ein Moment, ohne dass eine „Handlung“ stattfindet. Manchen dieser Handlungen schreiben wir zu, dass sie „geschehen sind“, wenn kein Urheber angenommen wird oder einer vermeintlich die Kontrolle hatte, sodass man ihn dafür verantwortlich machen könnte. Man mag emotional oder tatsächlich auf das „Geschehene“ reagieren, doch einen Vorwurf macht man nicht. Allerdings gibt es mit Sicherheit eine Anklage eines lebenden Wesens für Handlungen, die nicht geschehen sind, aber geschehen hätten sollen, oder, die geschehen sind, jedoch nicht hätten geschehen sollen. Eine emotionale und tatsächliche Reaktion begleitet normalerweise eine derartige Anklage.
Die Einsicht, die von einem Weisen in diesem Artikel geschenkt wird, dass der Mensch nicht der Handelnde ist, führt allerdings zu einer Wandlung und Dankbarkeit fließt über.
Julian Capper, Großbritannien.

Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Der moderne Mensch hat sich zu einem Menschen mit hohen Idealen entwickelt, mit einer endlosen To-do-Liste. Das erweckt den Eindruck, man hätte niemals genug Zeit, um zu tun, was getan werden muss. Die Erfüllung der Ideale darüber, was getan werden muss, erwartet man auch von anderen. Die Folge sind Kritik, Beschuldigungen und Schuld. Dieser Artikel „Du hast gemacht oder hast nicht gemacht“ von Dr. Shankar möge der Menschheit helfen zu verstehen: Der Verstand möchte, dass das Leben immer nach seinen Idealen abläuft, was gesagt oder getan werden sollte und was nicht gesagt oder nicht getan werden sollte. Dankbarkeit, Geduld und Genießen des Lebens bleibt, wenn man tief verstanden hat, dass das Leben nur auf eine Weise fließt und der Verstand Teil des Fließens ist, wenngleich illusionär.
Marcus Stegmaier, Deutschland.

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