Interview mit Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.

Von Mrs. Paula Marvelly

Aus dem Buch "The Teachers of One", 

Watkins Publishing, London,

2002

 

Pollen der Casablanca-Lilie, die ich als Gabe für den Guru bereithalte, haben meine Jacke und meine Wange bestäubt. Ich erinnere mich, wie ich meine Schuhe auszog, bevor ich eintrat. Wie so viele Wohnungen der indischen Bevölkerungsgruppe in Nord-West London, ist Kalpna Dave’s halb abgetrennte, einfache Unterkunft außerhalb jeder Beschreibung und doch enthüllt sie sich als ein Tempel zum Lobe Gottes.

 

Indische Gewürze und Weihrauch durchziehen den Raum, der mit vedischen Denkwürdigkeiten geschmückt ist. Im Vorraum dominiert ein majestätischer Schrein von Sri Sathya Sai Baba die halbe Wand, Fotographien und Malereien von Sri Shirdi Sai Baba und seiner Reinkarnation, Sri Sathya Sai Baba, sind bestäubt mit Vibuti. Mala-Perlenketten hängen über Portraits von Krishna und Radha, Shiva und Parvati, Hanuman und Ganesh und auf dem Altar befindet sich ein mit Reiskörnern geschriebenes OM-Zeichen.

 

Ich bin teilweise überrascht, dass ich hier bin um mit Vijai zu sprechen. Es erscheint als Ironie, dass er der erste nicht westliche Lehrer sein soll, mit dem ich sprechen werde: die Advaita-Lehre war für mich bisher eher ein Randgebiet der indischen Sagenwelt. Ich bin gespannt, ob seine Interpretationen sich irgendwie unterscheiden werden. Vielleicht wird er mir die Geschichten von Krishna und Rama erzählen, etwas über die Bedeutung der indischen Rituale und die magischen Kräfte des Ganges.

 

Vijai’s rundes und pausbackiges Gesicht – seine linke Augenbraue strebt zum Himmel auf – begrüßt mich mit liebevollem Respekt. Er trägt den traditionellen Kurthapyjama , der im eine exotische und würdevolle Erscheinung verleiht. Er führt mich zum Esszimmer auf der Rückseite des Hauses, ein sehr einfacher, bescheidener Raum im Vergleich zum kaleidoskopartigen Vorraum. Kalpna, seine ihm auf dem geistigen Weg folgende Assistentin erscheint aus der angrenzenden Küche: eine lebendige Verkörperung einer indischen Göttin, deren seidener, grüner Sari prunkvoll über dem Boden schleift, als sie eintritt. Wir begrüßen uns gegenseitig mit einem Namaste; sie lächelt bescheiden, ihren Blick in einer Art gottesfürchtigen, demütigen Haltung abwendend.

 

In den späten Vierzigern in Bangalore / Südindien geboren, war Vijai inspiriert von den Schriften Sri Ramana Maharshi und Nisargadatta Maharaj. Genötigt, den letzten Sinn der Existenz zu ergründen, verschrieb er sich der Suche, die ihn im Alter von 16 Jahren zu einer Zusammenkunft mit Sri Sathya Sai Baba und zu einem ersten flüchtigen Blick in sein wahres „Selbst“ führte. In den frühen Siebzigern wurde er in Madras von Sri Shiva Ramakrishna in Tapas eingeführt.

 

Vijai ist ausgebildeter Mediziner, zuerst in Indien dann in Afrika beruflich tätig, spezialisierte er sich auf Kardiologie und Nierenleiden. 1986 kam er nach London, wo er den Ph.D. der University of London erzielte. Dies führte ihn zu Lehrtätigkeiten an der medizinischen Fakultät als forschender Wissenschaftler in zellulärer und molekularer Biologie. Es geschah etwa zu dieser Zeit, dass sein Ego komplett erschüttert wurde – der Gefallen an weltlichen Dingen ging ihm verloren; aber das genaue Ereignis möchte er nicht preisgeben. 1997 zog Vijai in die U.S.A und lebte dort in einem Garagen-Appartement in Galveston. Er zieht derzeit um in sein neues Zuhause, das in Alvin /Texas entsteht: das Kaivalya Shivalaya Ashram (Wohnort des Absoluten).

 

Wie viele seiner Advaita-Kollegen hat Vijai eine eigene Web-Site mit Terminkalendern von Events, der Lage des Ashrams, Artikeln und Kommentaren (Anmerkung: auch diese Übersetzung stammt von einem englischen Aufsatz dort) seiner devotees (Nachfolger). Dort findet sich auch eine Erinnerung an das, was ich bin:

 

„Ein Tropfen Wasser, der als Regen einen See bildet, löst sich auf im Meer. Er verliert nicht sein Tropfen-Sein, aber er gewinnt den ganzen Ozean. So ist es auch mit dem „persönlichen“ Ich. Wenn es sich auflöst im Herz des Gewahrseins, erfährt es das gesamte Universum.“

 

Es ist schwer zu verstehen, dass ich in London verweile, während ich zuhöre, wie Vijai und Kalpna in Gujrati miteinander schwatzen. Kalpna lächelt mich an und sagt, dass Vijai sich an mich erinnert von einem Satsang (Zusammensein in Wahrheit) vor einigen Monaten in Kensington her. Wie in der Tradition von Darshan stellte sich jeder Teilnehmer am Ende in einer Reihe auf, um vom Lehrer Prasad zu erhalten. Umgekehrt kniet jeder Teilnehmer vor Vijai, sich demütig vor ihm verbeugend, während er an alle weiße und rote Trauben in die ausgestreckten Hände verteilt. Als ich an die Reihe kam, folgte ich diesem Zeremoniell. „Möge Gott dich segnen, mein Kind!“, sagte Vijai mit verströmender Liebe in seinen Augen „und möge Gott dich auch segnen!“ erwiderte ich spontan. Bei diesen Worten schaute Vijai mit einem Gelächter zur Decke hinauf : „Das ist so süß!“ gluckste er, als ich gerade erkannte, dass dies wohlmöglich nicht gerade die richtigen Worte waren, die ich gebrauchte.

 

Als ich das Bandaufnahmegerät startete wartete Vijai sanftmütig wie ein kleiner Junge, seine Finger verschränkt und nonchalant auf dem Tisch vor ihm ruhend. Als ich meine erste Frage stelle, öffnet er seine Augen und lässt sie tief in meinen ruhen. Plötzlich verzieht sich sein Gesicht, er öffnet seine Hände und beginnt mit den Fingern in der Luft rumzustochern, wobei er mit seinem Kopf in der vertrauten Art der Inder hin und her wackelt. Seine Stimme hat Gesangsqualitäten, sie hebt sich und senkt sich, wird lauter und leiser, je nach den Erfordernissen seiner Intuition. Am Ende einer jeden philosophischen Zusammenfassung schnallst er mit der Zunge gegen den oberen Gaumen und erzeugt einen Pop-Laut, als ob er damit das Gesagte unterstreichen und bestätigen möchte.

 

Vijai liebt es provoziert zu werden: je mehr du ihn herausforderst, desto lebhafter wird er, seine Arme gestikulieren weiträumiger, wie bei einem Dirigenten in einem Orchester. Während der ganzen Unterhaltung hänselt er mich und übt sanften Druck auf mich aus, seinen Gedankenpfaden zu folgen. Man bekommt den Eindruck, dass einzig Gespräche über Gott (die Existenz) es ihm wert genug sind, überhaupt den Mund zu öffnen – sein „persönliches“ Leben erscheint als irritierende Ablenkung, die er mit einem Handstreich hinwegfegt.

 

Vijais’s Humor hält unsere intensiven theoretischen Ausführungen im Fluss. Meine übliche Reaktion in solchen tiefschürfenden Momenten ist die, vor Experimenten dieser tragischen Art unterzutauchen. Jedoch gab mir mein Wochenende mit Arjuna das Gefühl, den letzten Tropfen an Tränen ausgedrückt zu haben und ich fühle, dass ich an einem entscheidenden Wendepunkt angelangt bin – Nun, soweit bis hierher. Insgesamt fühle ich mich positiv inspiriert, geradezu gesegnet am Ende unserer gemeinsamen Zeit. Ich bin tief berührt von Vijai’s väterlicher Zärtlichkeit. Ich fühle, dass egal wo ein Problem auftaucht, alles sich in Ordnung entwickelt.

 

Kalpna macht das Essen. Sie wartet am Tisch auf uns nach indischer Sitte Teller für Teller indischer Köstlichkeiten aufdeckend. „Willst du mit uns essen?“, frage ich sie. „Nein, nein!“, antwortet sie bestimmt, „es ist eine Ehre für mich, dich zu bedienen. In Indien wird ein Gast als eine Verkörperung Gottes betrachtet. Ich bin wirklich geehrt, dass er in mein Haus kommt und mich mit seiner Gegenwart segnet.“

 

 

 

Das Gespräch

 

Ich weiß, von der Wahrheit kann nicht in Worten gesprochen werden...

 

Warum Paula, kann die Wahrheit nicht mit Worten übermittelt werden? Du solltest sehr klar wissen, warum die Wahrheit nicht mit Worten übermittelt werden kann. Es geht nicht, warum?

 

Es gibt einige Gründe dafür. Nehmen wir an, es passiert ein Ereignis außerhalb deines Hauses während du dort sitzt. Lass uns das Ereignis einen Unfall zwischen zwei Fahrzeugen nennen und lass uns annehmen, dass dort 10 Menschen den Vorfall beobachtet haben. Und du bist gemütlich in deinem Haus und hast nichts mitbekommen. Du möchtest aber wissen, was los war. Du lässt alle 10 Personen nacheinander eintreten und dir das Ereignis berichten. Du lässt die erste Person rein, und sie erzählt was geschah und geht wieder. Die zweite kommt, berichtet und geht. Nach der zehnten wirst du überrascht sein, 10 verschiedene Versionen von dem was geschah zu haben. Deshalb kann ein Ereignis nie in Worte gefasst werden. Alle Zeugen waren lediglich erfolgreich, ihre „Meinungen“ zu übermitteln. Weiter erscheinen die Worte, die sie gebrauchten, in Zeit und Raum. Aber sie gehören nur deinem Verstand (mind). Jedes Wort hat zwei Bedeutungen, eine interne und eine externe, eine verbale und eine nonverbale.

 

Was bedeutet das?

 

Ich will dir sagen, was das bedeutet! Ich sage dir ein Wort und du beschreibst das Wort, was es für dich nach deiner Erfahrung bedeutet. Lass mich einfach ein Wort sagen, O.K? „Fluss“. Beschreibe, was dieses Wort dir übermittelt.

 

Es ist ein Ausdehnung aus Wasser, die sich von einem hohen zu einem niederen Ort ausbreitet....

 

Nein, gib mir keine Definition des Wortes. Ich sagte „Fluss“ zu dir. Beschreibe das Wort so, wie es in deinem Verstand erscheint, wenn dort das Wort „Fluss“ auftaucht.

 

Ich sah blaues Wasser, grüne Ufer auf beiden Seiten. Ich sah gekräuselte Wellen an der Oberfläche.

 

Wunderbar! Der Fluss, den ich meinte, war ein kleiner, es gab kein grünes Umfeld, keine Berge, gerade mal ein paar Fische und Schmutz trieb auf der Oberfläche. Jedes Wort enthält also zwei Bedeutungen. Die eine ist die übliche, externe Bedeutung, die andere ist die internale, personale Bedeutung. Jedermann kann nun die externe Bedeutung aufgreifen und dann darüber denken, was er/sie auch immer will. Aber niemand kann mit der inneren Bedeutung in Kontakt kommen, mit der persönlichen Meinung. Wenn also schon ein Wort zwei Bedeutungen umfasst, wie viel dann erst ein Satz mit so vielen Worten? - dies ist der Hauptgrund für soviel Argumentieren und Diskutieren überall.

 

Die Ehefrau mag sagen: „Warum sagst du das zu mir?“, der Ehemann wird sagen: „Ich habe das nicht gesagt!“. „Was meinst du damit, du hast es nicht gesagt? Ich habe es genau gehört!“ wird sie antworten, und er: „Ja, du hast mich gehört, aber das habe ich nicht gemeint!“. „Da haben wir es wieder mal: du hast es gesagt, aber du behauptest es nicht zu meinen!“ wird sie erwidern usw. Er sagt dasselbe ihr, sie sagt dasselbe ihm und keiner kann die innere Bedeutung erfahren – dies ist der Hauptgrund aller Ehescheidungen, aller Argumente und aller Diskussionen....

 

Aller Religionen!

 

Alles, alles! Du kannst diese Dinge weiter herausarbeiten. Wenn jemand behauptet, er spreche über die Wahrheit, so bedeutet das nonverbal, er akzeptiert die Existenz von Unwahrheit. Die Unwahrheit (Lüge) schleicht irgendwo hinterher, was bedeutet, er hat etwas akzeptiert, was falsch ist.

 

Wahrheit ist nur ein relatives Wort?

 

Genau. Niemand kann über Wahrheit sprechen, weil es „etwas“ wie Wahrheit nicht gibt. Für jede Wahrheit gibt es eine Unwahrheit, wie du siehst. Kannst du mir folgen?

 

Ich kann genau folgen, was du sagst.

 

Also weiter, mein Kind. Ich sollte nicht über die Wahrheit sprechen. Ich sollte nur über die Dinge reden, wie sie sind, eine Illusion, Maya, die real erscheint als diese Nicht-Realität. Es ist die Realität die als Nicht-Realität erscheint. Nicht-Realität ist die Erscheinung von Nicht-Realität. Aber es ist nicht die Realität.

 

Ich bin verwirrt.

 

Es kann sehr verwirrend aussehen, mein Kind. Aber es sollte nicht verwirren.

 

Es ist alles so Paradox.

 

Leben ist ein Paradox!

 

Ich existiere nicht und hier bin ich!

 

Nein, du existierst als reines „Selbst“. Du erscheinst als „Nicht-Selbst“. Was ist die Farbe deiner Strickjacke?

 

Sie ist blau.

 

Du sagst, sie sei blau. Aber ich würde sagen, das ist nicht die Farbe der Strickjacke – sie ist alles andere als blau. Und das ist die Illusion. Ich werde dir erklären, warum es für dich so ist.

 

Das ist eine wissenschaftliche Definition – sie reflektiert alle anderen Farben außer blau.

 

Genau. Das Licht absorbiert alle Farben des Regenbogens und die eine, die es nicht aufnehmen kann, wird sichtbar. Das ist Maya, die Illusion. Du meinst etwas sei real obwohl es unreal ist.

 

Was bedeutet „real“?

 

„Real“ bedeutet, das, was ist. „Real“ meint das, was permanent ist – es erscheint nicht um zu verschwinden. „Real“ ist etwas, was ständig da ist, nicht etwas, das nur von 6 Uhr früh bis 9 Uhr abends da ist. Es sollte da sein, selbst wenn du schlafen gehst.

 

Den Teil habe ich verstanden. Was ich erkenne ist, dass das Wort „Illusion“ mich verwirrt. Schau dieser Tisch hier (ich klopfe auf die Tischplatte) – Ich weiß, dass er keine Realität hat in dem Sinne, dass er notwendigerweise auch noch in 2000 Jahren hier ist, aber er ist real genug jetzt.

 

Er ist real im Sinne von „nicht-dauerhaft“. Er zerfällt sogar im Augenblick. Wie kannst du ihn dauerhaft nennen?

 

Aber er ist keine Illusion, oder?

 

Er ist eine Illusion in dem Sinne, dass dein konditionierter Verstand so konditioniert wurde, zu glauben, das dies ein Tisch ist. So entsteht die Illusion, dass er da sei. Der konditionierte Verstand akzeptiert, dass er da ist. Ich sage dir, mein Kind, kannst du in deinen Träumen keinen Tisch sehen?

 

Doch schon, aber das ist was anderes!

 

Warum, mein Kind? Nein, du wachst von dem Traum auf und sagst, dass er nicht wirklich existiert hat. Du solltest jetzt aus deinem Traum aufwachen, und was ist dieser Traum? Dein Denken!

 

Aber der Tisch ist hier!

 

In deinem Traum auch! Du solltest vom jetzigen Traum aufwachen – was bedeutet.. ich will dir sagen, was es bedeutet: es bedeutet, dass der Verstand (mind) jetzt gerade aktiv ist, er bewegt sich, gerade so wie auch in deinen Träumen. Du hast den Tisch gesehen, hier und jetzt, der Verstand fließt wie der Fluss, den du beschrieben hast. Der Verstand ist nicht still.

 

Ja, das verstehe ich.

 

Gut. Du bist konditioniert zu glauben, dass es ein Tisch sei, das ist die Illusion. Schau mal, ich sage dir was: wenn du in der Wüste spazieren gehst, wirst du nicht Wasser, Annanas und Früchte sehen?

 

Wie in einer Luftspiegelung?

 

Genau. Du nennst es Luftspiegelung, aber ist es nicht da? Rennen die Leute nicht dort hin? Warst du mal in der Wüste, um das zu erfahren?

 

Nun, ich habe sicher schon Gesichter gesehen in den Mustern von Vorhängen oder im Feuer, aber ich weiß, dass sie nicht wirklich existieren.

 

Genau. Du wirst das sehen, was der Verstand sehen möchte. Kannst du folgen?

 

Aber wenn ich meinen Kopf auf den Tisch schlage, wird er weh tun! Ist das immer noch ein Traum?

 

Genau. Aber es tut auch im Traum weh, oder nicht? Löscht geträumtes Wasser nicht auch geträumten Durst?

 

Manchmal.

 

Oh nein, mein Kind. Du bist nicht tief genug im Traum. Natürlich werden im Traum auch Hunger und Durst gestillt. Lass mich dir genau erklären, was im Traum geschieht.

 

Aber der Tisch hat physikalische Realität, die Traumwelt ist mental.

 

Oh nein, dieser Tisch hat auch mentale Eigenschaften! Du behauptest, dass es keine physikalische Realität in deinen Träumen gibt? Bist du nicht Auto gefahren, mit dem Hund spazieren gegangen. Hast du nicht das Haus gestrichen?

 

Aber ich kann überprüfen, dass dieser Tisch existiert!

 

Wie prüfst du das? Wie? Du denkst es, ist es wahr? Wo ist die Überprüfung der Prüfung?

 

Ich glaube, dies ist nur ein semantisches Argument.

 

Das ist kein semantisches Argument, aber du erlaubst mir nicht, fortzufahren. Wenn der Verstand in Ruhe bleibt, absolut ruhig (keine Gedanken!). O.K, lass es mich dir anders erklären. Nehmen wir an, du sitzt vor einem Spiegel. Was siehst du in ihm?

 

Ich sehe eine Person im Spiegel, von der ich annehme, dass ich es bin.

 

Perfekt! Du wirst deine Haare sehen, deine Augen, deine Augenbrauen, deine Nase, deine Lippen, deine Wangen, du wirst einige Dinge verändern wollen...

 

Wie z.B. etwas Make-up auftragen!

 

Genau! Du kannst folgen? Nun versuche folgendes, mein Kind. Wenn du das nächste mal vor dem Spiegel sitzt, wirst du dasselbe sehen. Wie weißt du, das es dasselbe ist? Du siehst es nicht, sondern dein Verstand informiert dich darüber. Dein Verstand sagt: Kopf, Nase, Augenbrauen, Stirn, Wange, Mund. Dein Verstand sagt dir diese Dinge, da ist sonst niemand, der es dir sagt. Der Verstand wiederholt vorausgehende Informationen.

 

Aber du forderst mich auf, alles abzulehnen, was meine Erfahrung mir mitteilt.

 

Ich fordere dich nicht auf, irgendetwas abzulehnen. Ich fordere dich auf, wahrzunehmen. Du erlaubst mir wieder nicht, dies auszuführen.

 

Entschuldigung!

 

Wenn dein Verstand dich informiert, gib ihm keine Aufmerksamkeit. Sei einfach du selbst und beobachte dein Spiegelbild. Der Verstand wird darin verharren, dich wieder und wieder mit Informationen über dein Gesicht im Spiegel zu versorgen. Schenke dem keine Aufmerksamkeit. Kein Aufmerksamkeit schenken bedeutet, deiner Wahrnehmung keinen Denkprozess hinzufügen. Er wird dir „Haare“ sagen und wird sofort denken „kämme deine Haare“, tu dies, tu das. Sehe, wie der Denkprozess bereits durch das Wort „Haare“ ausgelöst wird. Schenke keine Aufmerksamkeit. Falls er „Wange“ sagt wird er einen kleinen Fleck sehen und du wirst versuchen, ihn zu entfernen und wieder hat ein Denkprozess begonnen.

 

Mit der Zeit, nach Tagen, wirst du vor dem Spiegel sitzen. Das ist eine Übung, ein Experiment, nicht ein Muster, keine Technik, keine Methode. Er wird dir wieder erzählen, dich selbst nach vielen Tagen wieder informieren, solange er nicht in Ruhe ist. Nach einer Weile kann eine Zeit kommen, dass wenn der Verstand dir sagt „Haare“, plötzlich eine Lücke auftaucht, dann nach einiger Zeit „Wange“ und etwas später „Kinn“. Es wird die Zeit kommen, wo er aufhören wird, dich zu informieren, weil du dem prekonditionierten Verstand keine Aufmerksamkeit schenkst. Du schenkst keinerlei Aufmerksamkeit, wenn der Verstand dich informiert „Gesicht“. Der Verstand wird dich nicht informieren. Es kommt die Zeit, wo der Verstand sagt: „Haare“ und sonst nichts mehr. Es kommt die Zeit, wo die Reflexion da ist aber keine Informationen mehr über sie. Was ist dann passiert, kannst du es mir sagen?

 

Da wird nichts da sein.

 

Genau. Da wird nicht einmal mehr eine Reflexion sein, mein Kind. Der Spiegel wird da sein, aber da wird kein Gesicht mehr sein. Es wird keine Reflexion mehr geben. Das ist es, was ich meine. Du siehst keine Objekte, sondern du nimmst Gedanken von Objekten wahr. Siehst du Objekte oder siehst du Gedanken von Objekten?

 

Du wirst weiter den Spiegel sehen?

 

Ja, du wirst den Spiegel als Gedanken sehen, aber da wird kein Gesicht sein, weil es keinen Gedanken „Gesicht“ gibt.

 

Da werden Farben und Formen im Spiegel sein.

 

Nichts! Da wird nur ein blanker Spiegel sein. Dein Verstand ist ruhig geworden. Das ist es, was ich dir mitteilen möchte. Das ist es, von dem die Rishis (Heiligen) berichtet haben – es ist eine Illusion, das Spiel von Licht und Klang. Du glaubst, Menschen auf dem silbernen Schirm zu sehen – du denkst, Prad Pitt küsst jemanden?

 

Oh, ich sehe, ich sehe!

 

Ist er wirklich auf dem Schirm? Wo ist der Film? Du solltest dich distanzieren und den Film betrachten, nicht in ihm sein. Auf dem Schirm findet ein Spiel aus Licht und Klang statt, es werden Bilder erzeugt, Tische, das Spiel von Licht und Klang. Existenz selber hat einen Film erzeugt, sie ist selbst ein Kinodirektor. Dies ist es, was ich im Leben tue: ein Spiel aus Licht und Klang. Nada und Bindu sind die zwei Sanskrit-Worte dafür. Nada ist Klang und Bindu ist Licht. Die Rishis haben das Jahre, Jahrhunderte früher gesagt, mein Kind. Ich sage also nichts neues. Wenn du den Verstand dekonditionierst zu sagen „Tisch“, wenn er absolut in Stille verharrt, keine Wellenkräuselung mehr (er klatscht in die Hände), dann wird er nicht mehr da sein. Da wird weder Licht, Wasser oder irgend etwas anderes mehr da sein. Vertraue mir!

 

Dein Ego, „Ich“, ist im Wachzustand. Wenn das „Ich“ nach innen geht und in deinem Bewusstsein versinkt, dann erreichst du deinen Schlafzustand im Wachzustand.

 

Meinen Schlafzustand im Wachzustand??

 

Das bedeutet, das dein „Ich“ nicht mehr funktional dein Ego ist, du hast es unterdrückt und du bist da, in Samadhi. Wenn du dies erreicht hast, sind deine Augen geöffnet, da wird Licht sein und sonst nichts. Und dann bringst du im physischen Körper das Ego wieder in Funktion und alles erscheint. Das Problem ist, das Leute, die über Wahrheit reden nicht wissen, über was sie reden.

 

(Vijai beginnt einige Diagramme zu zeichnen, die verschiedene Körperschichten darstellen). Du siehst hier den physischen Körper, kannst du mir folgen, mein Kind? Er korrespondiert mit einem physischen Verstand, OK? Dieser Bereich – dies ist es, mit dem die Menschen identifiziert sind mit ihrem Körper-Verstand. Wenn du tiefer gehst, das nennt man anamaya kosa in Sanskrit. Ana bedeutet Nahrung, maya bedeutet Illusion und kosa ist eine Hülle. Gehst du noch tiefer, so findest du, was man pranamaya kosa nennt, was übersetzt bedeutet Ätherkörper und Astralkörper, OK? Prana bedeutet Leben.

 

Und nach dem Astralkörper folgt der Intelligenzkörper, was wir vigynamaya kosa nennen. Danach folg dein Atman, deine Seele. Dies nennt man anandamaya kosa. Ananda bedeutet Segen. Kannst du meinen Worten folgen? Bis zu anandamaya dehnt sich der Verstand aus – der ätherische Verstand, der astrale Verstand, der intelligente Verstand und das „Ich“ operiert durch alle diese Hüllen hindurch. So stark ist die Illusion, das „Ich“ ist hier, die Konsistenz der Objekte ist hier, der Name, die Form, die Farbe. Nun bringe das „Ich“ direkt vom anandamaya und versenke es in deinem Atman, kannst du mir folgen?

 

Aber warum ist das so?

 

Das ist die Illusion, die Gott kreiert hat, das ist das magische, das ist seine Schöpfung.

 

So ist es keine schlechte Sache, das „Ich“?

 

Ich sage dir, was eine Illusion ist. Was ist das (Vijai zeigt auf einen Stift)?

 

Ich glaube, ich weiß es nicht mehr!

 

Es ist ein Stift, oder? Glaubst du, dass irgend so etwas wie ein Stift existiert? Es ist ein Stück Plastik, oder? Nicht ein Stift. Siehst du die Illusion? Kannst du meinen Worten folgen? Leute sagen, dass sie einen Ring tragen. Das ist eine Illusion, oder nicht?

 

Es ist nur Gold?

 

Du hast es verstanden, mein Kind. Du hast es. Nicht einmal Gold.

 

Nur Moleküle?

 

Du sagst es! Schau das Gebäude. Du glaubst vorschlagen zu wollen, das irgend etwas wie „Gebäude“ existiert? Kannst du mir „Gebäude“ geben? Kannst du ein Gebäude untersuchen? Was wirst du mir geben - Gestein! Schau die Illusion, Maya. Grüne Farbe, rote Farbe – es ist das Spiel von Licht. Da gibt es nichts, was Farbe genannt werden könnte, es gibt lediglich das Spiel von Licht. Viele Farben sind Farben die nicht existieren.

 

Wie ist es damit, wenn du sagst, diese Form ist ein Rechteck. Hast du jemals etwas gesehen, das Rechteck genannt wird? Kannst du mir „Rechteck“ geben und sagen: Rechteck, Rechteck?? Was ist es? Es gibt nichts was „Form“ heißt. Form ist die Grenze von etwas. Das ist die Illusion. Es gibt keine Form, keinen Namen, keine Farben keine Konsistenz (Beschaffenheit)!

 

Plato sagte, das all diese Formen und Ideen irgendwo im Universum auf subtile Art vorgehalten werden – diese Pferde und Gebäude sind enthalten im Rahmen von Formen. Die Welt ist eine Manifestation dieser subtilen Formen.

 

Als Gedankenform, ja. Die ganze Welt ist eine Gedankenform. Eddington sagte, dass die gesamte Welt nichts als eine Welt der Gedanken ist.

 

Wessen Gedanken?

 

Bewusstsein. Du kannst es nennen wie du willst. Gewahrsein. (Vijai malt ein weiteres Diagramm) Dieses Gewahrsein ist im Osten als Shiva bekannt, OK? Und dann ist da reflektiertes Gewahrsein. Wenn Gewahrsein sich selbst spiegelt, wird es zum Bewusstsein. Bewusstsein ist kinetisch, es bewegt sich. Gewahrsein ist statisch, kannst du folgen? Gewahrsein wird Shiva genannt und wenn es in Bewegung gerät wird es zur Shakti. Das gesamte Bewusstsein ist am vibrieren, schwingen. Die Initialschwingung lässt das Wort OM erstehen, OK? So erzeugt OM Raum, Wasser, Erde, dann Feuer, dann Luft. Es beginnt zu schwingen.

 

Aus diesen 5 Manifestationen, tritt das ganze Universum in die Existenz in Form von „Anregung“ und „Beruhung“, kannst du Folgen? Und jede „Anregung“ und „Beruhung“ sind Punkte im Bewusstsein. Und jeder Punkt des Bewusstseins, jeder Atman, was soviel wie jedermann bedeutet, hat einen kleinen Bruchstück-Verstand bekommen. Verstand ist vom Atman, ein Bruchstück-Verstand im Vergleich zum ganzen Universum. Alles erscheint in diesem Bewusstsein als eine Spiegelung. So hat jeder einen Verstand, der in bestimmter Weise „das“ Bewusstsein spiegelt. Kann irgend jemand deinen Verstand sehen, Paula?

 

Nein.

 

Genau, Paula. Weil es dein Verstand ist, dein individueller Verstand. Nun werden alle individuellen Verstände vom Super-Verstand beherbergt – das ist Bewusstsein. Siehst du, was ich meine? Das ist die Gedankenform, das Ganze ist eine Gedankenform. Und dann geht es in deine Seele, hier. Wo ist die Welt, mein Liebling, wenn du ins Bett gehst?

 

Sind auch die Elemente Wasser, Erde und Feuer nur Gedanken?

 

Ja.

 

Sie haben wirklich keine Existenz?

 

Nein, niemals. Diese sind die ersten Gedanken, die als Luft, Wasser, Feuer und Erde erscheinen. Und von hier, boom, das Universum manifestiert sich!

 

So ist auch dieser Tisch ein Gedanke?

 

Mit absoluter Sicherheit, mein Kind. Weist du warum ich behaupte, dass es ein Gedanke ist? Nein?

 

Weil...

 

Weil? Du musst sicher sein, dass du es weißt.

 

Weil es ein mentales Konstrukt ist.

 

Warum? Höre mir zu. Du musst sicher sein.

 

Mach weiter... erzähle mir... ich möchte frei sein, Dr. Shankar ... ich möchte es wissen!

 

Wie lange bist du bei mir, mein Kind?

 

Aus relativer Sicht etwa eine halbe Stunde.

 

Und vorher? Als wir uns früher trafen?

 

Ich habe dir etwa 3 Stunden zugehört in der Vergangenheit.

 

Genau, sei also geduldig. Du möchtest in 3 ½ Stunden wissen, wer du bist! Sei geduldig, ich werde dich dort hin bringen. Egal wie wir uns anstrengen, der Verstand wird sagen: Ich sehe einen Stift. Du liegst richtig, wenn du sagst, dass du einen Stift siehst, ich verleugne das nicht. Aber bete, erzähle mir: Glaubst du, dass deine Augen einen Stift sehen können? Angenommen, da ist ein 20 Jahre alter, gesunder Junge. Er stirbt, gerade in dieser Minute stirbt er und hat seine Augen immer noch auf den Stift gerichtet. Können seine Augen den Stift sehen? Er hat einen Verstand, können seine Augen den Stift sehen?

 

Nein, wenn er gestorben ist.

 

Aber er hat doch Augen, oder nicht?

 

Aber da ist kein Bewusstsein in ihm zurückgeblieben.

 

Genau. Wenn also Augen diesen Stift sehen könnten, mussten auch seine Augen diesen Stift weiterhin sehen können. Ist es so, mein Kind? Stimmst du mit mir soweit überein?

 

Ja, ich verstehe, was du sagst.

 

Nun der zweite Punkt. Bewegt sich der Stift in Richtung deiner Augen? Meinst du, dass deine Augen die Kapazität besitzen, „Stift“ aufzunehmen? Was sind die Augen, die wahrnehmen, mein Kind? Was ist die Funktion von Augen? Ist es nicht die Funktion von Augen, Licht wahrzunehmen? Was sonst? Die Funktion der Augen ist, Licht aufzunehmen. Nur Licht kann die Pupille passieren - kein Stift, kein Baum....

 

Es ist nur reflektiertes Licht.

 

Und es ist reflektiertes Licht! Kein Licht an sich. Die Augen können reines Licht nicht sehen. Sie können nur reflektiertes Licht wahrnehmen. Nun, reflektiertes Licht kommt geradewegs aus diesen Atomen, Quarks und Superquarks usw. als Energie, und deine Augen empfangen Licht, mein Kind. Und dann geht es.... kann ich deinen Stift benutzen?

 

Natürlich, wenn es wirklich ein Stift ist!

 

(Zeichnet weitere Diagramme mit viel Enthusiasmus) Lichtwellen gehen in das Auge, OK? Lichtwellen werden durch optische Nerven zum Gehirn übertragen. Die Lichtwellen erreichen das Gehirn und hier enden die Vorstellungen der Physiologen, weil sie nicht wissen, was passiert. Nun kommen die Psychologen ins Spiel und behaupten: diese Lichtwellen werden durch den Verstand umgesetzt und dieser sagt dann „Stift“ – kannst du mir folgen? Nun, was ist dein Verstand? Dein Verstand ist lediglich ein Bündel von Gedanken, oder nicht, mein Kind? Was ist er? Er ist nicht mehr als ein Bündel von Gedanken! Also ist das, was du siehst ein Gedanke und kein Stift.

 

Ich stimme überein, dass der Verstand nur ein Bündel von Gedanken ist, aber er muss sichere Vorraussetzungen und Charakteristika und...

 

Auch dies sind Gedanken..

 

Ja, aber ich betrachte dieses Objekt als Stift und du wirst mit mir darüber übereinstimmen, auch einen zu sehen?

 

Solange du in deinem physikalischen Verstand und Körper bist, ja.

 

Aber es werden auch eine Menge anderer Menschen damit übereinstimmen, das dies ein Stift ist. Also muss es eine Allgemeinheit dieser Gedanken geben.

 

Genau.

 

Es muss ein mentales Konstrukt dieser Art vorliegen.

 

Genau. Überall liegen konditionierte Konstrukte vor. Du glaubst, wenn ein 5-Jahre altes Kind kommt, das dies so ist (weiteres Diagramm). Dies ist dein Leben von 0 bis zu 70 Jahren. Mit 5 Jahren, dein Selbst, dein Atman, sieht eine Katze, OK? Er sieht eine Katze. Kannst du mir folgen? Nun wird die Mama dem Kind erzählen, schau Kind, Katze, Katze, Katze, schau Kind, eine Katze. Das Kind wird einfach nur sehen. Mama hat gerade die Existenz des Kindes zerstört, weil das Kind sich einfach an der Katze erfreut hat, aber nicht als Katze...

 

Aber als das, was ist.

 

Als das, was ist! Das Kind weiß nicht, wo Katze anfängt und wo Katze aufhört. Das Kind war gerade dabei, die All-Einheit der Existenz zu erfahren, die in so vielen Formen erscheint. Und es hat es durch und durch genossen, nicht als mentalen Gedanken sondern als Existenz an sich, geradezu verherrlichend. Die Farbe der Katze war seine eigene Farbe, es gab keine Konzepte über seine Farbe. Dann bedrängt die Mutter es weiter mit: Katze, Katze, Katze – das Kind weiß nicht. Dann sagt das Kind plötzlich Katze und die Mutter fällt aus allen Wolken. Sie denkt, ihr Kind ist nun erkenntnisfähig aber Mammi weiß nicht, dass sie dem Kind einen Schlag versetzt hat!

 

Konditioniert?

 

Du hast es verstanden! Nun hast du eine Katze bekommen. Was passiert nach einiger Zeit? Ein Hund kommt des Weges, OK? Und Mammi fragt, was ist das? Weißt du, was das Kind antworten wird?

 

Katze?

 

Du hast recht! Die Mutter sagt, oh mein Kind, das ist ein Hund. So versucht sie das Kind zu lehren: Hund, Hund, Hund, keine Katze, keine Katze. Eines Tages wird das Kind sagen: Hund, Hund.. und die Eltern werden stolz sein. Auf diese Weise, mein Kind – Stift, Tisch, alles wurde bei dir konditioniert, nicht in dieser Lebensspanne, aber wie viele Generationen dauert diese Konditionierung schon an? Weil es schon seit so vielen Generationen so läuft, erscheint es so real für dich.

 

Aber es muss doch eine erste Person geben, wer auch immer sie war, die nicht konditioniert war. Warum begann Konditionierung?

 

Mein Kind, es hat nicht irgendwann begonnen, die Illusion wird ständig vom Verstand geschaffen. Wie es ist. Es ist eine Erscheinung die vergeht. Das ist das Drama, das ist Leela, das ist Illusion. Wie schön es ist.

 

Also ist es OK, dass das Kind denkt Katze oder Hund - da ist nichts falsches dran?

 

Mit Sicherheit ist da nichts falsches dran. Es ist nichts falsch am Konditionieren. Solange du dem Kind beim Aufwachsen sagst, das der Verstand einfach „die Existenz“ mit Namen und Etiketten versorgt. Du solltest gewahr sein, dass du einfach hier bist und der Verstand einfach nur das Sein an sich etikettiert. Der Verstand ist nichts anderes als diese Namen und Etiketten „der Existenz“. Gib ihr einen Aufkleber, gib ihr einen Aufkleber..! Es ist einfach zu identifizieren. Es wird dann ein Zeitpunkt kommen, wo du realisierst, dass wenn du deine Augen öffnest, das Sehen aufhört und die Identifikation beginnt. Wenn du die Augen schließt, endet Identifizierung und Sehen beginnt. Verstehst du, was ich sage?

 

Habe verstanden!

 

Großartig! Nun werde ich dir was sagen, höre aufmerksam zu. Jeder möchte den Sinn des Lebens finden, ja? Dies geschieht nur um zu zeigen, dass sie ihn bisher nicht gefunden haben. Es zeigt nur, das der Sinn des Lebens ihnen weit voraus in der Zukunft zu liegen scheint – sie müssen ihn finden. Irgendwo, nicht hier, aber sonst wo. Kannst du folgen? Es ist das Ende, nicht die Mitte, nicht der Anfang, es ist irgendwo am Ende. Das ist der Trugschluss. Dies ist der Grund, warum man nicht in der Lage ist, ihn zu finden, weil man meint, der Sinn des Lebens ist am Ende zu finden.

 

Warum sage ich das? Ich sage es wegen folgendem, hör zu! Wenn es einen Samen gibt, der zur Rose wurde, so weißt du, dass in dem Paket, das du erhalten hast, Rosen-Samen sind. Du weißt, wenn du diese Samen aussähst, dass Rosen erblühen werden, oder? Du weißt, dass das Wesen der Rose in dem Samen verborgen ist, weil du weißt, dass es Rosen-Samen sind. Du steckst nun den Rosen-Samen in den Boden – wirst du nun in Panik geraten, dass es vielleicht ein Lotus-Blume oder eine Sonnenblume werden könnte? Wirst du in Panik geraten? Was bedeutet das? Du wirst nicht in Panik geraten, weil du das Wesen kennst, du kennst die Quelle der Samen. Kannst du meinen Worten folgen?

 

Ich kann ihnen folgen.

 

Die Rishis in alten Zeiten wussten, was ihre Quelle ist – du bist bereits ein Lebewesen, du wirst ein göttliches Lebewesen werden. Wenn du deine eigene Quelle nicht kennst, bist du wie der Kerl, der Samen pflanzt und nicht weiß, was er ernten wird. Der Sinn des Lebens steckt in deinen Schuhen!

 

Wenn die Quelle in mir ist, warum weiß ich dies dann nicht von Beginn an?

 

Es ist nicht so, dass du in deiner Realität verloren bist, du bist verloren in deinen Träumen - das ist der Grund.

 

Aber warum? Wenn ich Gott wäre, warum verdeckt ein wenig Staub meine wahre Natur?

 

Weil dein Verstand sich angezogen fühlt von dem, was nicht ist. Dein Verstand ist fleißig morgens – Tisch, Stift. Du benennst ständig, du läufst ständig weg. Ich habe dir die Definition von Denken gegeben – Denken ist nichts anderes als Träumen im Wachzustand.

 

Aber Gott hat das Denken geschaffen.

 

Für dich, damit du realisierst, dass du träumst!

 

Es ist, als ob Gott ein Falle gestellt hat!

 

Gut, verlasse sie! Das Drama ist vorbei. Es gibt einen Direktor, der das Drama insziniert. Das Drama geht weiter, die Zuschauer beobachten. Du musst der Direktor werden. Wenn du Direktor wirst, wirst du fähig sein, das Drama zu beobachten und glücklich dabei zu sein.

 

Diesen Teil werde ich nie verstehen. Wenn ich Gott wäre, warum sollte ich es nicht auflösen?

 

Es ist so, mein Kind, weil dein Verstand nicht still ist. Dein Denkprozess – du gibst ihm Aufmerksamkeit. Er ist bisher noch nicht beendet. Du musst ein Meister deines Verstandes werden. Der Körper ist ein Rad und im Zentrum ist die Achse. Du musst die Achse im Zentrum des Rades werden. Das ganze Rad des Lebens dreht sich und wenn du nicht geplagt bist, verschwindet alles.

 

Wann wird mein denkender Verstand still sein?

 

In dem Moment, wenn du „wann“ sagst, mein Kind, ist der Verstand bereits in die Zukunft gesprungen. „Wann“ bedeutet Zukunft. Zukunft existiert nicht. Du wirst nie dort sein.

 

An welchem Punkt wird mein Verstand ruhig sein?

 

Ich sage dir, wenn du hiermit fortfährst, wird er still werden. (weitere Diagramme) Dies ist die Gegenwart, OK? Dies ist die Vergangenheit und dies die Zukunft – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Wo ist die Vergangenheit? Gibt es einen Ort, wo sie gespeichert ist?

 

Nein.

 

Bist du ganz sicher? Es könnte ja sein, die Vergangenheit ist irgendwo hinter Island?

 

Die Vergangenheit ist hier hinten in meinem Verstand.

 

Genau. Was ich sagen möchte ist, dass es keinen Platz gibt, an dem Vergangenheit gespeichert ist. Niemand kann mir „Vergangenheit“ herbringen, in meine Hände legen, damit ich sie objektiv untersuchen kann. Es ist alles ein Gedanke, oder nicht? Nun, wie ist das mit „Zukunft“? Glaubst du, dass es einen Raum gibt wo Zukunft ist, wo du hingehen kannst um herauszufinden, was dort geschieht um dann in die Gegenwart zurückzukehren? Was also ist Zukunft?

 

Nur ein Gedanke.

 

Und was ist die Zukunft, wenn nichts anderes als eine verstärkte Vergangenheit, die auf einer nicht existierenden Zeitscala projiziert wird? Und die Zukunft ist nirgendwo sonst, als in deinem Verstand. Hast du verstanden?

 

Ich habe es jetzt verstanden.

 

Gut, so gibt es also auch keine Zukunft. Da ist nur die Gegenwart. Gegenwart bedeutet, es muss etwas wie „Zeit“ geben um es Gegenwart zu nennen.

 

Es sieht so aus, das Zeit nicht in der Gegenwart existiert.

 

Genau. Vergangenheit setzt Zeit voraus, oder nicht? Gegenwart setzt Zeit voraus, oder? Zukunft....

 

Ja, Gegenwart ist relativ zu Vergangenheit und Zukunft.

 

Genau, genau! Nun was ist das fundamentale Kriterium für Zeit? Wenn du Zeit sagst, was zwingt zum Wort „Zeit“?

 

Bewegung.

 

Bewegung. Zeit wird gemessen durch Bewegung. Zeit hat auch etwas, was wir Dauer nennen. Wenn es keine Dauer von etwas gibt, dann kann auch nichts Zeit genannt werden. Zeit hat immer etwas mit 5 Minuten, 10 Minuten, eine Stunde usw. zu tun, sie hat Dauer. Wenn du über Zeit sprichst, so sagst du wie lang. Das ist Dauer, oder? Dauer hat einen Beginn, eine Mitte und eine Ende. Das ist Dauer. Tick, Tick, Tick...Also hat Zeit einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Kannst du meinen Worten folgen?

 

Nun, lass uns auf die Gegenwart zurückkommen. In dem Moment, wenn ich „Gegenwart“ sage, ist das „Ge“ bereits in der Vergangenheit, das „gen“ in der Vergangenheit, das „war“ und das „t“ in der Vergangenheit. Kannst du folgen? Du kannst nicht einmal „Gegenwart“ in der Gegenwart sagen, mein Kind. Du kannst dich nur auf „jetzt“ beziehen, wo es keine Zeit gibt! Da ist keine Gegenwart und doch behauptet der Verstand, dass du Zeit hast.

 

Wir leben im konstanten Fluss des „Jetzt“. Du bist immer im Jetzt. Deshalb kann niemand über Wahrheit reden, weil in dem Moment, wo du etwas sagst, das Wort bereits der Vergangenheit angehört. Du musst dich neu Verbinden, sonst lebst du wieder ein totes Leben. Du bist nicht frisch, du bist nicht lebendig. Wenn du jetzt inne hältst, dann bist du lebendig. Dann wird dein Verstand ruhig. Was kannst du im „Jetzt“ denken? Was kannst du im „Jetzt“ Urteilen? Was kannst du im „Jetzt“ kritisieren? Was kannst du im „Jetzt“ interpretieren? Was kannst du über irgendetwas im „Jetzt“ behaupten? Du bist zum “Jetzt“ geworden. Du bist die Existenz geworden. Du fließt. Du bist zu Hause angekommen. Kannst du folgen?

 

Es ist wunderbar, mein Kind. Du hast verstanden, mit dem Jetzt zu verschmelzen. Der einzige Weg, mit dem „Jetzt“ zu verschmelzen ist, deinen Gedanken zu beobachten, wie sie kommen und gehen, und nicht den Denkprozess hinzuzufügen. Lass sie kommen, beobachte sie, nimm sie wahr, interpretiere sie nicht, weder gut noch schlecht, richtig oder falsch. Welche Autorität haben wir, sie zu beurteilen mit falsch oder richtig? Was ist unser Resume?

 

Ich denke, du hast alles sehr klar und präzise dargestellt. Ich habe ungefähr 10 Jahre Advaita-Theorie studiert...

 

Advaita ist keine Theorie. Advaita wurde von den Rishis gesehen. – sie mussten das Wort gebrauchen, weil es ein schönes Wort ist welches „Nicht-Zwei“ bedeutet. Sie haben Dualität in Advaita integriert.

 

Du hast kürzlich über den Grund gesprochen, warum wir das Wort Advaita benützen, das „Nicht-Zwei“ bedeutet und nicht das Wort ekant, welches „Eins“ bedeutet.

 

Die Rishis waren gescheit. Wenn du eins sagst, gibt es nur eins. Eins hat eine Bedeutung lediglich in Bezug auf zwei, oder nicht? Das bedeutet, wenn du eins sagst, setzt du bereits zwei voraus. Siehst du. Du sagst, da sei nur eins, am im Hinterkopf, da ist die zwei. Eins hat eine Bedeutung in Beziehung zu zwei, mein Kind.

 

Wahrheit und Unwahrheit?

 

Du hast verstanden. So sagten sie Advaita, was Nicht-Zwei bedeutet. Nicht zwei! Sogar Dvaita ist in Advaita enthalten, weil Dvaita ist Advaita. Ich sage dir warum – höre mir aufmerksam zu. Nimm an, hier liegt ein Klumpen Gold auf dem Tisch. Ein Klumpen Gold – ob er groß aussieht oder schön – es ist nur ein Klumpen Gold. Nun von diesem Gold, jemand nimmt das Gold und er ist Goldschmied. Er nimmt das Gold, schmilzt es und macht einen sogenannten Ring daraus. So, existiert dieser Ring oder nicht?

 

In Wahrheit existiert er nicht.

 

Genau, der Ring existiert nicht. Was existiert außer dem Gold um deinen Finger? Dasselbe Gold wie der Klumpen auf dem Tisch. Also ist es dasselbe Gold, kein verschiedenes. Aber er überstülpt ihm den Namen Ring. Ein Ring, ein Ornament. Ein Ornament existiert nicht. Kann mir irgendwer ein Ornament als solches geben? Niemand kann mir ein Ornament als solches geben. Verstehst du, was ich sage? Also ist Ring, Ornament nicht existent. Das was nicht existiert hat etwas zur Geltung gebracht, was existiert, nämlich das Gold.

 

Du hast ein Konzept übergestülpt.

 

Du bist mir gefolgt! Du bist sehr gut! Kann ich einen besseren Stift haben? Danke. (mehr Diagramme)Niemand kann mir einen Ring geben. Du kannst mir nur Gold geben. Also hat das, was nicht existiert, das was existiert erweitert und bereichert. Advaita ist hier und Dvaita ist dort – Dualität, eine Erscheinung. Dvaita erweitert Advaita. Erscheinung erweitert Realität. Die Existenz sieht sich selber in anderen Kleidern. Verstehst du? Es ist einfach eine Erscheinung. Es ist nicht die Realität.

 

Die Erscheinung existiert in der Realität.

 

Du hast es verstanden.

 

Das ist es – Erscheinung oder Illusion ist OK und es ist schlicht die Art und Weise, wie Realität mit sich spielt.

 

Du hast es verstanden! Also genieße die Illusion!

 

Ich sollte sie nicht zurückweisen?

 

Nein, das solltest du nicht!

 

Ich sollte nicht losgelöst sein?

 

Wie könntest du losgelöst sein? Wenn du es verstanden hast, genieße es. Wenn du einen Mercedes erhalten hast, genieße ihn. Du hast es nicht erhalten, es wurde dir gegeben. Das ist der Standpunkt, den du einnimmst. Es passierte. Gott gab dir etwas. Ich kann nicht sagen, ich habe es, es ist meins. Das ist die Illusion – zu sagen, dass es meins sei. Das ist es, was dir Grenzen setzt.

 

Da gibt es einen liebevollen Satz, den du manchmal sagst – Ich bin nicht ein Mensch, der eine spirituelle Erfahrung macht, Ich bin ein spirituelles Wesen, das eine menschliche Erfahrung macht.

 

Mit absoluter Sicherheit bist du ein spirituelles Wesen, das eine menschliche Erfahrung macht. Wenn du dich selbst als menschliches Wesen betrachtest, das eine spirituelle Erfahrung möchte, bist du in der Sackgasse, weil alle Erfahrung in der Gegenwart deines Verstandes liegt, oder nicht? Es ist alles innerhalb Raum und Zeit. Alle Erfahrungen sind getrennt und begrenzt innerhalb der Konzepte Zeit und Raum. Deshalb wird es auch Erfahrung genannt, nicht wahr? Ein göttliches Wesen, begrenzt durch Zeit und Raum? Wenn du im Jetzt bist, erfährst du die Erfahrung.

 

Und es gibt da keinen, der Erfahrung macht?

 

Genau! Wenn du im Jetzt bist, erfährst du die Erfahrung. Du erfährst nicht das Erfahrene. Wenn du das bereits Erfahrene erfährst, lebst du ein totes Leben. Kannst du folgen? Du trittst ein in das Mysterium, wenn du Erfahren erfährst. Was erfährst du? Du erfährst Erfahren, keine Interpretation. Du wirst der Fluss. Die Existenz ist mit uns eins geworden. Glaubst du, sagen zu müssen, Der Vogel weiß, wo er fliegt? Nein, Bewusstsein sagt, schau, Ich kann tun was ich will in den Formen. Ich tue ebenfalls in der Form was ich will. Denke nicht, dass du es tust. Verstanden?

 

Ja!

 

Wunderbar!

 

Eine letzte Frage.

 

Eine letzte Frage, und das war es?! Was ist deine letzte Frage, mein Kind? Du musst dich daran erinnern, dass es nicht die Funktionsweise des Verstandes ist, Antworten zu empfangen. Mach daraus schwarz und weiß. Die Funktionsweise des Verstandes ist, ständig zu fragen und nicht Antworten entgegenzunehmen. Aber er hört nicht auf zu propagieren: ich will eine Antwort, ich will eine Antwort. Warum? In dem Moment, wo irgend eine Antwort den Verstand erreicht, verwandelt sich diese Antwort in 100 Fragen. Das ist die Nahrung für seine Existenz. Darum ist das Leben keine Sache von Frage und Antwort, es muss nichts gelöst werden. Leben ist nicht ein Muster. Du kannst Leben nicht bestimmen und nicht voraussagen. Wenn du es kannst, bis du besser als Gott! Du hättest dann seine Schöpfung erlöst. Aber es ist eine unbegrenzte, mannigfaltige Manifestation endloser Vielfältigkeit. Endlos und ohne Anfang. Er ist namenlos und formlos. Verstehst du nun, warum sie sagen, dass er namenlos ist?

 

Ja.

 

Was ist dein Glauben zu sagen, dass er namenlos und formlos ist?

 

Weil ich darüber nachdenke und es versuche, so kann ich ihm keinen Namen oder eine Form zuweisen.

 

Nein, mein Kind. Vishnu gibt uns einen sehr guten Anhaltspunkt. Es gibt 1008 Namen Gottes. Wie verbindest du das mit der Aussage, er sein namenlos? Höre mir sehr aufmerksam zu – die Menschen haben es völlig falsch verstanden. Du bist der Gott in dir, oder? Gott ist da in dir?

 

Ich denke schon.

 

Du solltest nicht darüber nachdenken. Denkst du darüber nach, dass du lebst?

 

Ja.

 

Brauchst du einen Beweis, dass du lebendig bist?

 

Nein.

 

Genau! Da ist etwas lebendig in dir. Kannst du folgen? Bewusstheit ist lebendig in dir. In jedermann, oder nicht? Wenn überall Gott ist, wenn nur Gott ist, welcher Name ist es dann? Er ist namenlos in dem Sinne, dass kein bestimmter Name auf ihn zutrifft – alle Namen sind die seinen. Darum ist er namenlos. Du kannst jeden Namen für ihn verwenden – Paula, Kalpna, Vijai.... Alles ist sein Name! Und wenn du sagst, Gott ist Paula, dann ist er benannt. Er ist namenlos, weil du jeden Namen nehmen kannst Darum gibt es 1008 Namen von Vishnu. Jeder Name ist der seine. Die Rishis waren sehr klug. Sie hätten auch 10008 Namen ihm geben können!

 

Und das ist die Hindutradition!

 

Genau! Jeder Name ist der seine. Darum ist er formlos. Wie kannst du sagen, dass er diese Form ist? Es bedeutet lediglich, dass du ihm diese Form gegeben hast. Diese Form ist auch seine, jene Form ist auch seine. Jede Form ist seine. Darum ist er formlos. Weil jede Form ihm gehört. Er ist formlos und namenlos. Verstanden? Du bist unterschieden. Er ist unterschieden. Der Raum ist unterschieden. Die Küchenschabe ist unterschieden. Der Schmetterling ist unterschieden. Der Käfer ist unterschieden. Die Wanze ist unterschieden. Die Fliege ist unterschieden. Alles ist unterschieden. Die Narzisse. Die Nachtigal. Kannst du meinen Worten folgen? Wunderbar. Wir benennen. Wenn der Prozess des Etikettierens aufhört, tritt Stille ein.

 

Ich erzähle dir eine schöne Geschichte, eine schöne Parabel. Da war ein Mann, ein Vogelbeobachter. Er ging fort zum Vogelbeobachten. Er nahm sein Fernglas und sein Vogellexikon mit. In der Baumkrone saßen zwei Spechte. Also las der Vogelbeobachter in seinem Buch über sie. Einer der Spechte flog vom Baum auf die rechte Schulter des Mannes, um zu sehen, was er liest. Er las es und flog zurück zu dem anderen Specht und sagte zu ihm: „He, stell dir vor, wir sind Spechte!“.

 

Du solltest damit aufhören, dann wirst du deine wahre Natur erkennen. Du hast vergessen, weil du dich an das erinnerst, an das du dich nicht erinnern solltest. Du wirst deine wahre Natur erinnern, wenn du alles vergisst, an was du dich erinnerst. Kannst du folgen, Paula? Du solltest Sakshi sein – das Sanskrit-Wort für „Zeuge sein“. Dann wirst du ständig Zeuge deines Wachseins sein. Du bist nun aufgewacht. Du denkst nicht mehr. Du denkst dass du träumst. Nun, denke nicht – der Denkprozess ist an seinem Ende. Wenn irgendjemand dich fragt, so wird der Denkprozess sich einschalten.

 

Der Realisierte ist derjenige, der verlernt hat, er ist nicht mehr mit dem Gelernten identifiziert. Was hat er gelernt – das ist meins, dies gehört mir, du bist meine Frau... Alles gehört der Existenz an sich. Du bist mit leeren Händen gekommen, du wirst mit leeren Händen gehen. Die Dinge kommen zu dir, dieser Körper benützt sie und es wird alles verschwinden. Wenn du mit dem Leben verschmilzt, dich auf das Mysteriöse, Unvorhersehbare einlässt, wirst du zu Hause ankommen, weil Leben ein Mysterium ist. Als du Leben bekamst, bekamst du auch das Mysterium. Nichts wird dich berühren. Du wirst alle Gegensätze transzendieren. Alle Gegensätze werden dir als Umkehrungen erscheinen Positiv existiert wegen dem Negativ, das ist alles. Für mich ist alles schön, wie es ist. Es ist wunderschön. Es ist perfekt. Jeder Moment ist frisch, Paula. Er kann nie wiederholt werden.

 

Wie ich hier so sitze und dich anschaue und höre was du sagst, gibt es keinen Zweifel. Und ich war in diesem Raum bereits, aber, die „Aber“ kommen zurück. Wann werden die „Abers“ aufhören?

 

In dem Moment, wo du aufhörst zu fragen: wann. Das ist deine Hürde. Du fragst mich weiterhin: wann. Wenn der Verstand in der Zukunft ist, mein Kind, kann ich ihn nicht ins Jetzt zurückzwingen. Beobachte, wie dein Verstand sagt: wann. Glaube ihm nichts darüber, mache keine Anstrengungen, ihn anzuhalten – weil dies nur eine weitere Anstrengung von ihm ist. Wann ist es, morgen, nächste Woche, 2001, 2002, 2040? Du erwartest eine Antwort von mir. So will ich dir sie geben, Paula: 2002. Und nun? Meinst du, dein Verstand gibt nun Ruhe? Du wirst dich nun nach 2002 sehnen. Du wirst ruhelos sein bis zu diesem Datum. Es wird nie geschehen.

 

Beachte, wie der Verstand sagt: wann. Wenn der Verstand nicht sagt: wann, dann bist du zu Hause. Niemand ist verloren in der Realität. Du bist nur in deinen Träumen verloren. Das ist dein Denken. Du kannst nie in der Realität verloren sein, weil du immer in der Realität bist. Was meinst du? Realität finden! Bist du sicher, sie verloren zu haben? Denken ist das Träumen im Wachzustand und Träumen ist das Denken im Schlafzustand. Entdecke den Tod bevor der Tod dich entdeckt. Die Wahrheit ist nie die Wahrheit.

 

 

 

Maharaj: sogar zu behaupten, du bist nicht der Körper, ist nicht ganz wahr. Auf irgendeine Weise bist du alle Körper, Herzen und Verstände und noch viel mehr. Gehe tief in das Gefühl „Ich bin“ und du wirst es finden. Wie findest du etwas, das du vergessen oder verlegt hast? Du hältst es im Gedächtnis, bis du es wieder abrufst. Das Gefühl da zu sein, dieses „Ich bin“ ist das erste, das erscheint. Frage dich selbst, wenn es auftaucht oder beobachte es in Stille. Wenn der Verstand beim „Ich bin“ verbleibt, ohne Bewegung, betrittst du einen Zustand, der nicht verbal beschrieben werden kann, wohl aber erfahren. Alles was du benötigst ist, es immer und immer wieder zu versuchen. Solange du nicht im ständigen Gefühl „Ich bin“ verweilst, bist du es, der sich an alle Arten von Dingen anhaftet – Körper, Gefühle, Gedanken, Ideen, Wünsche etc... All diese Selbstidentifikationen sind falsche Führer. Wegen ihnen betrachtest du dich als das, was du nicht bist.

 

Frager: Aber was bin ich dann?

 

Maharaj: Es genügt zu wissen, was du nicht bist. Du musst nicht wissen, was du bist. Solange Wissen Beschreibungen von Bekanntem bedeutet, empfindungsmäßig oder konzeptionell, solange kann es etwas wie Selbst-Erkenntnis nicht geben, weil das, was du bist, nicht beschrieben werden kann, es sei denn als totale Verneinung. Alles was du sagen kannst, ist: „Ich bin das nicht, ich bin jenes nicht..“. Du kannst nicht sagen: „das ist es, was ich bin“. Es macht keinen Sinn. Was du nach außen verlegst als „das“ oder „jenes“ kannst du nicht sein. Du kannst sicherlich auch nicht irgend etwas anderes sein. Du bist nichts Wahrnehmbares oder Vorstellbares. Du erfährst das Herz fühlend, den Verstand denkend, den Körper agierend; der Akt der Wahrnehmung selbst zeigt dir, dass du nicht das bist, was du wahrnimmst. Kann es ein Erfahren und Wahrnehmen ohne dich geben? Eine Erfahrung setzt Zugehörigkeit voraus. Es muss jemanden geben, der sie als eigene deklariert. Ohne einen Erfahrenden ist Erfahrung nicht real. Es ist der Erfahrende, der der Erfahrung Realität verleiht. Eine Erfahrung die du nicht haben kannst, welchen Wert hat sie für dich?

 

Frager: Das Gefühl, ein Erfahrender zu sein, das Gefühl von „Ich bin“, ist es nicht auch eine Erfahrung?

 

Maharaj: Offensichtlich ist alles was erfahren wird eine Erfahrung. Und in jeder Erfahrung erscheint der sie Erfahrende. Das Gedächtnis erzeugt die Illusion von Kontinuität. In Wirklichkeit hat jede Erfahrung ihre eigene Erfahrung und die Wurzel aller Erfahrung-Erfahrender-Relationen ist die Identifizierung. Identifizierung und Kontinuität sind identisch. So wie eine Blume ihre eigene Farbe hat, aber alle Farben durch dasselbe Licht verursacht sind, so erscheinen viele Beobachter im ungeteilten und unteilbaren Gewahrsein, jeder getrennt im Gedächtnis aber identisch im Wesen. Dieses Wesen ist die Wurzel, die Basis, die zeitlose und raumlose Möglichkeit aller Erfahrung.

 

Frager: Wie komme ich da heran?

 

Maharaj: du musst nicht daran kommen, du bist es. Es wird dir zukommen, wenn du ihm eine Gelegenheit gibst. Lass deine Anhaftungen zum Unrealen ziehen und das Reale wird flüchtig und zart in sich selbst eintreten. Höre auf damit, dir Vorstellungen zu machen, dieses oder jenes zu sein oder zu machen und die Realisation wird kommen, dass du die Quelle und das Herz von allem bist. Mit der Realisation kommt große Liebe, die keine Wahl oder Vorliebe ist, auch nicht Anhaftung, sondern eine Kraft, die alle Dinge liebenswert macht.

 

(I am That: Sri Nisargadatta Maharaj)

 

 

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