Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
27 November 2017 

Kontrolle

„Verstand“


Jeder Mann und jede Frau glaubt, dass es sein oder ihr Verstand sei, der die Gegenwart im Alltag unter Kontrolle hat. Das ist der konditionierte Glaube und jeder ist überzeugt, dass der Verstand alles, was er oder sie in der Gegenwart tut, unter Kontrolle hat.

Ein Mann oder eine Frau ist von seiner oder ihrer Erinnerung abhängig, um irgendetwas zu tun oder seine oder ihre Umgebung zu kennen. Ohne Erinnerung ist es unmöglich, etwas in der Gegenwart zu tun oder zu wissen.

Der primitive Mann und die primitive Frau hatten keine Erinnerung, weil weder er noch sie Wissen hatte. Als sich im primitiven Mann oder der Frau im Verstand Wissen entwickelte, entwickelte sich auch seine oder ihre Erinnerung.

Das bedeutet, dass der primitive Mann und die primitive Frau in den Urzeiten instinktiv in der Gegenwart lebten, so wie es die Tiere früher in der Gegenwart taten und auch in der heutigen Zeit tun.

Als das Leben Erinnerung entwickelte, entwickelte das Leben auch Instinkte. Mann und Frau leben weiterhin in der Gegenwart instinktiv, was sie nicht verstanden haben. Sie haben sich dazu entwickelt, zu glauben, dass ihre Verstände die Gegenwart unter Kontrolle hätten.

Mann und Frau wissen und verstehen auch, dass ihre Verstände weder die Vergangenheit noch die Zukunft unter Kontrolle haben. Sie wissen auch und verstehen, dass ihre Erinnerung eine Menge Wissen beinhaltet über die Vergangenheit und, was sie in der Zukunft möchten.

Es ist merkwürdig, dass ihre Verstände, obwohl sie die Vergangenheit kennen und wissen, wie die Zukunft sein sollte, ebenfalls nicht die Kontrolle haben. Wenn ihr Verstand die Gegenwart unter Kontrolle hätte, sollte er in der Lage sein, sowohl Vergangenheit als auch Zukunft zu steuern.

Sie glauben aber dennoch nicht, dass ihr Verstand die Gegenwart unter Kontrolle haben kann und hat. Dieser Glaube, ob er wahr ist oder nicht, muss allerdings tief verstanden werden.

Erinnerung im Verstand ist eine Aufzeichnung dessen, was tatsächlich in der Gegenwart geschehen ist. Die Aufzeichnung geschieht im gegenwärtigen Moment, nachdem die Gegenwart durch den nächsten gegenwärtigen Moment ersetzt wurde.

Dieses Ersetzen des gegenwärtigen Momentes durch den nächsten gegenwärtigen Moment geschieht spontan, unkontrollierbar und nicht vorhersagbar. Das impliziert, dass der gegenwärtige Moment immer ohne Erinnerung ist.

Die Bedeutung dieser schnellen Bewegung des Momentes zeigt, dass der gegenwärtige Moment keine Erinnerung beinhaltet. Daher ist die Erinnerung des aufgezeichneten, gegenwärtigen Momentes im vergangenen Moment, der der schnell ersetzte Moment in der Gegenwart ist.

Die weitere Bedeutsamkeit ist: Da Erinnerung im vergangenen Moment ist und vom Verstand in der Gegenwart gewusst wird, kann der Verstand weder etwas im gegenwärtigen Moment tun, noch den gegenwärtigen Moment steuern.

Daher ist der Glaube und die Überzeugung., dass der Verstand die Gegenwart steuert nicht die Wahrheit. Es ist lediglich ein konditionierter Glaube, doch nicht die Wahrheit. Die Erleuchteten haben richtigerweise verkündet, dass der Mensch  nicht der Handelnde, Sprechende und Denkende ist. 

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2017

Anmerkung des Herausgebers:
So konditoniert ist der menschliche Verstand, dass er annimmt, er kann seine Umgebung organisieren und anpassen, dass sie seinen Bedürfnissen und seinem Ehrgeiz entspricht, sodass alles, was nicht zu seinen Bedürfnissen und seinem Ehrgeiz passt, eine Enttäuschung ist. Es kann allerdings keine Enttäuschung geben, wenn die Verkündungen der Weisen gehört und tief verstanden werden. Die Wahrheit kennt glücklicherweise keine Bedingungen.
Julian Capper, Großbritannien.  

Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Der Glaube an Kontrolle im menschlichen Verstand ist so stark, dass sich alle möglichen Strategien, um das Verhalten von anderen und sich selbst zu kontrollieren, im menschlichen Verstand entwickelt haben. Die am häufigsten genutzten Strategien sind Strafen und Belohnungen, wie auch Tadel und Lob. Dass Strafen und Tadel sich aufgrund der negativen Effekte auf Menschen schädlich auswirken, ist relativ einfach zu verstehen. Diese Strategien werden aber dennoch täglich in vielen Familien, Schulen und Arbeitsplätzen angewendet. Die gegenteiligen Strategien, Belohnung und Lob, sind nicht so einfach als schädlich zu verstehen. Belohnung und Lob, wenn man sie dazu nutzt, Kontrolle über den anderen auszuüben, führen auch zu psychologischen Problemen, einfach, weil man versucht, den anderen damit zu kontrollieren. Dass all dies illusionär ist, ist die Aussage der Weisen, wie in diesem Artikel von Dr. Shankar. Und es ist weise, jedes menschliche Wesen, frei leben zu lassen, so illusionär dies auch sein mag. Je mehr Vertrauen ins Leben, weil der Mensch nicht die Kontrolle über das Leben, einschließlich der Anderen, hat, desto weniger werden kontrollierende Strategien benutzt. Das spiegelt bedingungslose Liebe und Fürsorge wider.
Marcus Stegmaier, Deutschland.

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