Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
4 Juni 2014
Lebendigkeit ist Leben
Jeder Moment im Leben ist lebendig. Die Lebendigkeit kann Wachstum, Handlung, Sprache, Gedanken, Licht, Ton oder Dunkelheit sein. Der Moment an sich steht nicht unter der Kontrolle des Menschen, denn nicht der Mensch macht den Moment, sondern der Moment hat den Menschen in sich aufgenommen. Der Mensch hat die Lebendigkeit in einem Moment nicht gemacht und macht sie auch nicht, denn er kann die Lebendigkeit in einem Moment niemals mit Sicherheit voraussehen. Würde der Mensch die Lebendigkeit in einem Moment machen, dann könnte er die Lebendigkeit in einem Moment mit Sicherheit vorhersehen. Er ist lediglich davon überzeugt, dass er etwas tun, etwas sagen oder etwas denken kann, und er wird sich dessen erst bewusst, nachdem es geschehen ist und nicht bevor es geschieht. Könnte der Mensch Wachstum geschehen lassen, eine Handlung ausführen, ein Wort sagen oder einen Gedanken denken, wäre er in der Lage, die Lebendigkeit eines jeden Moments mit Gewissheit vorauszuahnen. Da er das nicht kann, bedeutet das nur, dass er die Lebendigkeit in keinem Moment des Lebens herbeigeführt hat. Das alles geschieht jedoch auf eine illusionäre Weise und nicht als Wirklichkeit. Der Mensch ist nicht der Handelnde, wie die Erleuchteten zu Recht verkündet haben. Sprechen, Denken und Wachstum geschehen dem Menschen, und der Mensch tut sie nicht.
Jeder Moment geschieht und es ist offensichtlich, dass der Mensch den Moment nicht veranlasst. Der Mensch hat sich im Moment ereignet und es ist nicht der Mensch, der sich im Moment ereignen lässt. Der Mensch innerhalb des Moments ist die Lebendigkeit des Moments. Das Leben hält den Moment am Leben, und es ist nicht der Mensch, der den Moment am Leben hält. Dementsprechend hält das Leben den Menschen am Leben, und nicht der Mensch hält sich selbst am Leben. Der Gedanke ist die Lebendigkeit des Moments, und der Mensch kann den Gedanken, der die Lebendigkeit des Moments ist, niemals mit Gewissheit vorhersehen. Gefühle sind Gedanken, die entweder eine Reaktion oder eine Antwort sein können, die die Lebendigkeit des Moments bilden. Der Mensch kann niemals eine Reaktion oder eine Antwort des Moments mit Gewissheit vorausdenken, weil er nicht in der Lage ist, die Lebendigkeit des Moments mit Gewissheit vorauszudenken. Das bedeutet nur, dass das, was der Mensch glaubt, getan zu haben und zu tun, er nicht getan hat und auch nichts tut; es ist geschehen, weil es Lebendigkeit ist, die immer und in jedem Moment geschieht.
Nun, Gedanken sind Gefühle und sie können entweder Reaktionen oder Antworten sein. Reaktionen und Antworten können Auseinandersetzungen, Wut, Hass, Liebe, Entscheidungen, Wahlmöglichkeiten, Diskussionen, Ratschläge und auch das Fehlen von solchen sein. Sie machen die Lebendigkeit des Moments aus, über die der Mensch keine Kontrolle hat, denn er kann die Lebendigkeit des Moments nie mit Sicherheit vorhersehen. Wenn sie geschehen sollen, werden sie geschehen, und wenn sie nicht geschehen sollen, werden sie nicht geschehen. Der Mensch kann daher nicht der Handelnde sein, weder bei einer Reaktion noch bei einer Antwort. Was auch immer im „Jetzt“ geschieht, ist die Lebendigkeit, die nicht erkannt werden kann, denn das „Jetzt“ ist zeitlos und gedankenfrei, und es zu erkennen, erfordert Zeit und Dualität. Jede Erfahrung einer „Reaktion oder einer Antwort“ ist daher illusionär und nicht real. Die Erleuchteten wie Buddha, Adi Shankara, Ramana Maharishi und Nisargadatta Maharaj haben verkündet, dass das Leben nicht kontrollierbar ist, das heißt die Lebendigkeit im Moment. Es ist jedoch wahr, dass das „Jetzt“ alles ist, was es gibt, also die Lebendigkeit. Aber es muss verstanden werden, dass alles, was als Erfahrung, als Wahrnehmung einer Reaktion oder einer Antwort geschieht, was Lebendigkeit ist, im menschlichen Verstand illusionär ist - Illusion bedeutet, dass die Erfahrung oder Wahrnehmung einer Reaktion oder einer Antwort keine Realität im Leben ist. Der Fluss des Lebens ist eine spontane, unvorhersehbare und unkontrollierbare Bewegung von Energie oder Licht, so wie die Bewegung eines Ozeans daher illusionär ist, was bedeutet, dass sie existiert, aber nicht als Realität existiert. Das bedeutet, dass Lebendigkeit geschieht, so wie eine Welle geschieht, und doch ist eine Welle nicht da; alles, was es gibt, ist ein sich bewegender Ozean, und eine Welle ist ein Gedanke im Verstand - so wie eine Reaktion oder Antwort als Erfahrung ein Gedanke im Verstand ist und keine Wirklichkeit im Leben. Lebendigkeit ist die Intelligenz des Lebens.
Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2014
Anmerkung des Herausgebers:
Als Reaktion auf den Erhalt dieses neuen Artikels „Lebendigkeit ist Leben“ von Dr. Shankar, gab es eine Welle der Freude beim Lesen der Worte und der Verbindung mit der Weisheit der erleuchteten Wesen. Danke dafür. Hinzu kommt eine tiefe Anerkennung und, auf eine seltsame Weise, eine große Erleichterung durch das Verständnis, dass der Mensch im Moment empfangen wird, der das Leben selbst ist. Irgendwie, sozusagen in den Tiefen des eigenen Wesens, war dieses Verständnis schon immer vorhanden. Doch es musste durch die Weisheit geweckt werden. Die traditionelle Ethik des „mea culpa“ hat keine Gültigkeit.
Julian Capper. Großbritannien.
Anmerkung der niederländischen Übersetzerin:
Dieser Artikel lässt uns keine Möglichkeit zur Flucht, es geht um unser Leben. Es gibt kein anderes Leben als das, das wir leben und das hier und jetzt für uns alle geschieht. Die Tatsache, dass wir am Leben sind, wie auch immer dieses Leben in unseren Augen aussehen mag, bietet jedem die Möglichkeit, es ohne Etiketten und Konzepte zu sehen. Es gibt kein besseres Leben oder zukünftiges Leben, auf das wir warten sollten, um zu verstehen, dass das Leben geschieht. Ebenso wenig müssen wir ein besserer Mensch werden. Inmitten aller Gefühle, Gedanken und Überzeugungen sind wir lebendig. Dies ist unser Leben, und wir sind alle lebendig, damit wir es bezeugen können.
Paula Smit, Die Niederlande.
Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Das Ego verwickelt sich in Reaktionen im täglichen Leben, weil es illusionär konditioniert ist, dass Gedanken, Gefühle und Handlungen real sind. Daran ist nichts falsch, es ist die Art und Weise, wie sich die Intelligenz evolutionär im Leben bewegt. Zum Beispiel reagiert das Ego auf den Gedanken, dass jemand etwas falsch gemacht hat und für die Folgen seines Handelns verantwortlich ist, mit Ärger, Wut und Verurteilung. Die Einsicht, dass „falsch“ und „Schuld“ illusionäre Vorstellungen im Verstand und nichts Reales im Leben sind, weil das Leben eine einzelne spontane Bewegung ohne wirkliche Ursache und Wirkung ist, lässt den Menschen antworten statt reagieren. Auf diese Weise entstehen Mitgefühl, Geduld und bedingungsloses Vertrauen in das Leben, wie es geschehen soll. Der Fokus einer Antwort liegt auf dem zeitlosen Jetzt, während der Fokus einer Reaktion auf der Vergangenheit und der Zukunft liegt, jedoch völlig illusionär. Die Weisheit, die Dr. Shankar in diesem Artikel vermittelt, offenbart, dass ein tiefes Verständnis der Konditionierung des Verstandes zu einer Lebendigkeit im Moment führt, die es dem Individuum erlaubt, zu antworten, anstatt zu reagieren. Der Wunsch nach Liebe und Frieden lässt das Individuum verständlicherweise danach streben, auf jede Situation im täglichen Leben zu antworten, anstatt zu reagieren. Die Erleuchteten jedoch leben die Lebendigkeit des Lebens im zeitlosen Jetzt und denken nicht darüber nach, zu antworten statt zu reagieren, denn das Denken ist im toten Moment des Verstandes und nicht im lebendigen Moment des Lebens.
Marcus Stegmaier, Deutschland.