Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
29 December 2017

Maya

„Illusion”


Maya wird in der Sprache Sanskrit von den Sanskrit Wurzeln „ma” („nicht”) und „ya”, was „dies” bedeutet, abgeleitet. Im Hinduismus wird die Welt, in der wir leben, unreal genannt, nicht weil sie nicht existiert, sondern, weil sie unbeständig, nicht von Dauer, nicht verlässlich und illusionär ist, während das Reale beständig, dauerhaft und verlässlich ist.

Im Buddhismus bedeutet Maya die Kraft, durch die das Universum manifestiert wird: Die Illusion oder Erscheinung der Erscheinungswelt.

Für den konditionierten Verstand ist es allerdings sehr schwer zu verstehen, wie das, was man sieht und glaubt zu sehen, Maya sein kann. Ein Moment im Leben und ein Traum geben allerdings Hinweise dafür, Maya oder Illusion zu verstehen.

Erstens geschieht ein Moment im Leben schneller als eine Zeptosekunde, der kleinsten Zeitdauer, die der Mensch kennt. Das heißt, dass jeder Moment, der im Leben geschieht, schneller als eine Zeptosekunde geschieht, was ein Billionstel einer billionstel Sekunde ist.

Daher ist es unmöglich, dass ein Buchstabe, ein Wort oder irgendetwas in einem Moment im Leben existiert. Ein Wort besteht aus Buchstaben. Das zeigt, dass nur ein Teil eines Buchstabens, der Ton ist, in einem Moment existiert. Das zeigt, dass ein vollständiger Buchstabe, ein vollständiges Wort oder irgendetwas, was existiert, eine Maya des Momentes im Leben ist.

Zweitens sieht man in einem Traum Licht als Tageslicht und Dunkelheit als Nacht, einschließlich dessen, was man im Tageslicht eines Traumes sieht. Es ist unmöglich zu bestimmen, wie man Tageslicht und Dunkelheit in einem Traum sehen kann, weil die Augen geschlossen sind, während man träumt, und es im Kopf und im Schlafzimmer dunkel ist.

Drittens ist es, obwohl man einen Traum sieht, unmöglich zu sagen, wie man einen Traum sehen kann, weil die Augen beim Träumen geschlossen sind und es im Kopf und im Schlafzimmer dunkel ist.

Daher ist ein Traum eine Maya von Gedanken, weil das in einem Traum Gesehene nicht wirklich von den Augen gesehen wird.

Da das im Alltag Gesehene ebenfalls durch Gedanken gewusst wird, bedeutet ein Traum, dass das, was wir im Alltag zu sehen glauben, nicht wirklich gesehen wird, sondern nur von Gedanken geglaubt wird, dass man es sieht, ebenso wie man durch Gedanken von einem Traum glaubt, dass ein Traum gesehen wird.

Ein Moment im Leben zeigt auch, dass wir in einem Moment nichts vollständig sehen können. wir glauben nur, dass wir das Vollständige als real sehen. Das bedeutet, dass das in jedem Moment Gesehene im Alltag eine Maya, also eine Illusion, ist. 

Author: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2017

Anmerkung des Herausgebers:
Der Mensch wurde so bewandert darin, dass Sehen Glauben ist, dass sein oder ihr Erleben ganz von diesem Verständnis abhängt. Es ist beinahe instinktiv geworden, dass der Beweis, der von Augen oder gar Ohren präsentiert wird, das Fundament dessen ist, was man im Alltag für wahr hält, als das Wahre kennt oder entdeckt. Im Lichte dieses tiefen Verständnisses der Weisen, erkennt man dann, dass alles, was wir für real halten, wie ein Traum ist. Durch die Macht der Maya hat sich dieser Artikel selbst manifestiert. Er ist ebenfalls eine Illusion; das heißt das tiefe Verständnis von Weisheit ist auch illusionär.
Julian Capper, Großbritannien.

Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Der menschliche Verstand ist konditioniert, etwas zu suchen und an etwas zu glauben, das innerhalb des Verstandes „beständig, dauerhaft und verlässlich“ ist. Alles, was der Verstand wahrnimmt ist allerdings „unbeständig, nicht von Dauer, nicht verlässlich und illusionär”. Wahre Sicherheit wird deshalb niemals im Reich des Verstandes zu finden sein. Durch die Unterscheidung zwischen dem Realen und dem Unrealen, „Neti neti”, „Nicht dies, nicht dies”, bleibt der Mensch mit dem Realen zurück, indem er das Illusionäre als unreal zurückweist. Dass das Illusionäre nichtsdestoweniger existiert und nicht nicht existiert, ist die Grundvoraussetzung für einen gesunden Verstand. Gleichgültigkeit gegenüber dem Illusionären ist kein Zeichen von tiefem Verständnis, sondern von oberflächlichem spirituellem Glauben. Diese Einsicht, die im Artikel „Maya” von Dr. Shankar klar vermittelt wird, kann nicht überbetont werden, weil sie die Grundlage ist für ein mitfühlendes menschliches Leben, wenngleich illusionär.
Marcus Stegmaier, Deutschland.

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