Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
The Netherlands
6 September 2016

Sich unterhalten

„Sprechen“


Jeder Mann und jede Frau unterhalten sich als eine neutrale, natürliche Eigenschaft des täglichen Lebens. Eine Unterhaltung kann allerdings entweder zu positiven sozialen Folgen führen oder zu negativen sozialen Folgen; und dies geschieht gleichermaßen zwischen Familienmitgliedern und Freunden. Mann und Frau werden von früher Kindheit dazu unterrichtet, wie man sich unterhält, damit man gesellschaftlich akzeptiert wird.

Daher glauben wir, eine Unterhaltung führen zu können, weil wir gelernt haben, uns zu unterhalten. Dieser Glaube basiert universell auf Logik und Vernunft. Doch hat man sich über diesen Glauben bereits tief Gedanken gemacht? Weisheit offenbart sich allerdings, wenn man sich über diesen Glauben tief Gedanken macht.

Der Mensch nimmt es als selbstverständlich, dass er sich unterhalten kann und gelernt hat, sich zu unterhalten. Doch der primitive Mensch lernte nicht, sich zu unterhalten, denn eine Unterhaltung zu führen entwickelte sich im primitiven Menschen im Prozess der Evolution. Der primitive Mensch machte vokale Töne, so wie es die Tiere in primitiven Zeiten taten und wie sie es noch in modernen Zeiten tun. 

Die Qualität vokaler Töne, die der primitive Mensch macht, entwickelten sich in Klang und Vielfalt. Die Vielfalt vokaler Töne entwickelte sich zu Buchstaben, Worten und schließlich begann der primitive Mensch, sich zu unterhalten. Das impliziert, dass der primitive Mensch nicht lernte, sich zu unterhalten: Sich zu Unterhalten entwickelte sich in ihm als ein Prozess in der Evolution.

Dieser Prozess der Evolution wird in einem modernen Neugeborenen deutlich. Das Kind macht eine Vielfalt von Tönen mit verschiedenen Klängen und nicht einen einzigen Ton, der keine Klänge enthält. Die Vielfalt an Tönen, die ein Kind macht, ist ein Knäul entwickelter Buchstaben als Töne und nicht Ton als Buchstaben in einer entwickelten Reihenfolge. Das impliziert, dass Ton in einer entwickelten Reihenfolge als Buchstaben und Worte erscheint, während Buchstaben, die nicht in einer entwickelten Reihenfolge sind, nur als Ton erscheinen und weder als Buchstaben noch als Worte.

Wenn das Kind wächst, entwickeln sich die Buchstaben in einer geordneten Weise und schließlich entwickelt sich das Kind dazu, Töne von sich zu geben, die als Unterhaltung erscheinen. Die Eltern glauben allerdings, sie hätten ihrem Kind beigebracht, wie man sich unterhält, doch das ist nicht die Wahrheit. Sich zu unterhalten geschieht als ein Prozess in der Evolution dem Kind und das Kind unterhält sich nicht von selbst.

In einem Erwachsenen ist das nächste Wort in einer Unterhaltung dem Erwachsenen erst bekannt, nachdem es geschehen ist; und das gilt auch für das Kind. Das gegenwärtige Wort in einer Unterhaltung kennt ein Erwachsener auch erst, nachdem es geschehen ist, und das gilt auch für das Kind. Daher geschehen das gegenwärtige und das nächste Wort in einer Unterhaltung einem Erwachsenen im Prozess der Evolution, genau wie bei einem Kind. Weder der Erwachsene noch das Kind macht das Wort, damit es sich unterhalten kann.

Wenn der Mensch also tief darüber nachdenkt, ob er sich unterhalten kann, offenbart sich folgende Weisheit: Ja, Mann und Frau können sich unterhalten, doch sie verstehen nicht, dass Sich-Unterhalten oder Sprechen ihnen geschieht und sie weder Sich-Unterhalten noch Sprechen dazu bringen können, dass sie ihnen geschehen. Mann oder Frau werden sich unterhalten, wenn er oder sie bestimmt sind sich zu unterhalten, und das gilt auch für das Kind; und die Unterhaltung kann nicht anders sein als das, was sie in einem bestimmten Moment ist.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2016
 

Anmerkung des Herausgebers: 
Sich-Unterhalten ist etwas Grundlegendes im Leben des Menschen. Leben ohne sich zu unterhalten wäre undenkbar, ebenso wie es ein Leben ohne Kommunizieren wäre. Diese Eigenschaften werden keinem einzigen von uns in unserer Lebensreise verwehrt. Die Qualität und Tiefe dieser Eigenschaften haben unzählige Manifestationen, von der keine einzige vom Menschen selbst bestimmt wird. Sie sind wie sie sind in ihrem Moment der Manifestation und weise sind diejenigen, die das verstehen.
Julian Capper, Großbritannien. 

Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Wenn ich mich das nächste Mal mit ihm unterhalte, muss ich ihm sagen, dass…“ Was, wenn sie Nein sagt, wenn ich sie das nächste Mal treffe? Was soll ich ihnen bloß sagen? Sich zu unterhalten ist der tägliche Grund für Sorge und Angst für jeden Mann und jede Frau. Weisheit hält man für die Fähigkeit zu wissen, was man sagt, wie man sich unterhält und wann man mit wem redet. Allerdings offenbart dieser Artikel von Dr. Shankar mit Klarheit: Weisheit ist, sich bewusst zu sein, dass wir nicht das Geringste wissen über unser nächstes Wort, ja sogar das gegenwärtige Wort kennt man erst, nachdem es gesagt wurde. Und es wird nicht vom Verstand gesagt, sondern geschieht als Teil des evolutionären Prozesses des Lebens. Mit diesem Verständnis geschehen weder Sorge noch Angst, sondern Zuhören geschieht, dem Ton des Lebens Zuhören, der dem illusionären Verstand als eine Unterhaltung erscheint. 
Marcus Stegmaier, Deutschland.

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