Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
24 Marz 2020

Überzeugung (4)

„Glaube"

 

Das Leben geht weiter und weiter und weiter. Dennoch hast du kein klares Verständnis deines Verstandes, kein klares Verständnis des Lebens, kein klares Verständnis des Schicksals, kein klares Verständnis der Dualität und kein klares Verständnis von dir selbst. 

Schau dich selbst an. Du bist nicht glücklich mit deinem eigenen Selbst. Wie spirituell du auch sein magst, keiner ist mit sich selbst zufrieden. Du hast nicht gesehen und beobachtet, dass der Verstand in die eine Richtung geht und der Körper in die andere. 

Verstehe, dass das Leben dem Verstand und dem Menschen gemeinsam ist. Um aus der Agonie des Verstandes, des Lebens und des Individuums herauszukommen, bist du glücklich, wenn die Menschen dir zuhören, bist du glücklich, wenn die Menschen sich nach deinen Überzeugungen verhalten. 

Wenn das geschieht, bist du entspannt, es geht dir gut, du bist glücklich und du sagst, du bist in Glückseligkeit. Aber wenn die Dinge nicht nach deinen Überzeugungen verlaufen, scheint das Leben gegen dich zu sein.

Verstehe, dass, wenn das Leben gegen dich ist, du den Wunsch hast, zum Satsang zu gehen und zu meditieren. Ist es nicht so? In der Hoffnung, dass Gott wenigstens auf dich hört. Das ist die Überzeugung der Menschheit, nicht wahr? 

Verstehe, dass jeder möchte, dass das Leben auf das hört, was er sagt. Ist es nicht so? Jeder möchte, dass das Leben so ist, wie er es erwartet. Wie viele Menschen gibt es auf dieser Welt, denen das Leben zu Gefallen sein wird?  

Wenn das Leben allen gefällt - es hat das Potenzial -, dann ist das Paradoxon, dass, wenn alle zufrieden sind, es keine Anzeichen von Unannehmlichkeiten in dieser Welt gibt. Jeder ist glücklich. Das Problem ist, dass niemand weiß, dass er glücklich ist. 

Verstehe, dass du die Dualität brauchst, um zu erkennen, dass du glücklich bist. Um die Dualität aufrechtzuerhalten, muss also jemand unglücklich sein. Es ist einfach so, dass du in der Dualität manchmal derjenige bist und manchmal nicht.  

Verstehe, dass du derjenige bist, dem es unangenehm wird, damit ein anderer wissen kann, was Annehmlichkeit ist. Und das Leben gibt dir eine Befreiung von der Dualität. Das Leben gibt dir jeden Tag Schlaf. Schlaf ist eine vorübergehende Befreiung von den Wirren des Verstandes. 

Verstehe, dass du die Dualität während des Schlafs vorübergehend vergisst. Aber der Verstand wird mit neuem Elan zurückkommen, denn du denkst während des Schlafs nicht an deine Probleme. Die Probleme haben an Kraft gewonnen, um nach der Ruhe im Schlaf zurückzukommen.

Ebenso ist die Spiritualität deine Überzeugung für die Linderung von Problemen. Verstehe, dass du in der Spiritualität vorübergehend Probleme vergisst. Aber der Verstand wird mit neuer Kraft zurückkommen, weil du während der Spiritualität ja nicht an deine Probleme denkst. Die Probleme haben an Kraft gewonnen, um mit großer Kraft zu dir zurückzukommen, nachdem du in der Spiritualität geruht hast. 

Die Weisen haben ein klares Verständnis dafür, dass die Dualität nicht abgelehnt werden kann und dass sie so geschehen wird, wie sie geschehen soll, wenn auch illusionär. Dies ist die unwiderlegbare Überzeugung der Weisen.

Die Erleuchteten leben die Dualität des Lebens, die in jedem Moment vorhanden ist.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V.S. Shankar 2020

Anmerkung des Herausgebers:
Sich dem zu stellen, was vor einem liegt, was man unmöglich übersehen kann, denn es liegt direkt vor einem, ist das Geschenk des Lebens selbst. Es mag dich unterhalten, es mag dich erschrecken. Du hast es nicht geschaffen, denn der Mensch ist nicht der Handelnde. Deshalb bist du unfähig, ganz unfähig, es wegzuschieben, wegzuwünschen oder gar wegzuschlafen. Dass es weggeht ist aufgrund seines Kommens garantiert - das ist die Überzeugung der Weisen. Ein  derartiges Verständnis führt zu Geduld und Akzeptanz. Das ist der Weg der Weisen, das Bewusstsein, wer man wirklich ist, Moment für Moment. 
Julian Capper. Großbritannien. 

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Der Wunsch, der Dualität des Verstandes entkommen zu wollen, nur das Gute nicht das Schlechte zu haben, treibt den Menschen zur Spiritualität oder Religion. Doch was als Spiritualität oder Religion betrachtet wird, ist nichts weiter als Dualität. Ein Entkommen daraus gibt es nicht. Dr. Shankar zeigt in diesem Artikel, dass nur Klarheit über die illusionäre Natur der Dualität im Verstand es ermöglicht, in Frieden mit der unvermeidlichen Dualität des Verstandes zu leben, wenngleich illusionär. So entwickelt sich das wählerische Ego zum unparteiischen Beobachter, wenn es so sein soll. 
Marcus Stegmaier, Deutschland. 

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