Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
7 December 2019  

Unruhe (9) 

„Ungeduld"

 

Wenn du einmal verstanden hast, dass Wiederholung eine Torheit im Verstand ist, eine Sinnlosigkeit, eine lächerliche Situation, wirst du auf die gleiche Weise verstehen, wie lächerlich es ist, in Unruhe zu sein.

Dann bist du frei von Unruhe. Was also könnte dieses Verständnis sein, das dir klarmachen könnte, wie lachhaft es ist, in Unruhe zu sein. Warum denkst du, dass du unruhig bist? Wenn du unruhig bist und wenn du damit einverstanden bist, betrifft dich diese Frage nicht. 

Sie betrifft andere, denen es nicht gut geht, wenn sie in Unruhe sind. Was könnte der Grund dafür sein, dass du unruhig bist und in Unruhe? Der eine Teil ist, weil du verstanden hast, dass Wiederholung dir etwas bringen werde. 

Sogar ohne zu wiederholen, ist der Mensch immer noch unruhig. Oder etwa nicht? Auch wenn die Wiederholung für dich nicht offensichtlich ist. Wenn du eine spirituelle Technik ausübst, ist es für dich offensichtlich, dass du wiederholst.

Aber im täglichen Leben, sieh es dir an, verlangst du nach einer Wiederholung nur eines bestimmten Musters. Aber es ist für dich nicht offensichtlich, dass du wiederholst. Wenn du erwartest, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu sein, und es dir nicht möglich ist, setzt die Unruhe ein und ebenso die Ungeduld.

Wenn du verstehst, dass das Leben nicht immer abläuft, wie du denkst, dass es ablaufen sollte, wirst du weder in Unruhe noch ungeduldig sein. Wenn du verstehst, dass das Leben ablaufen wird, wie es abzulaufen bestimmt ist, wirst du weder in Unruhe noch ungeduldig sein.

Verstehe, dass es dich das Leben, das gerade abläuft, kostet, wenn du unruhig und ungeduldig bist. Dies wird für dich in dieser Zeit ein leuchtendes Beispiel sein. Der Mensch denkt über seine Zukunft nach, aber er lebt nicht den gegenwärtigen Moment, wie er ist. 

Du willst die Zukunft leben. Deshalb denkst du an die Zukunft, aber du erkennst nicht, dass du die Zukunft niemals leben kannst. Verstehe, dass du nur den Moment leben kannst, der ist, wie er ist, und nicht anders sein kann als das, was er ist.

Das Gedächtnis ist nichts anderes als eine Aufzeichnung von Ereignissen, die geschehen sind. Das Gedächtnis ist nichts anderes als eine Aufzeichnung von Ereignissen, die in Gedankenform geschehen sind. Das Gedächtnis ist eine Aufzeichnung, eine Aufzeichnung von Ereignissen, die geschehen sind. 

Wenn du deine eigene Beschreibung eines neuen Ereignisses betrachtest, ist jedes Wort nichts anderes als ein Wort, das in deiner Erinnerung leicht erkennbar ist. Allein durch das Erkennen von Worten in deiner Erinnerung, die die Vergangenheit ist, wirst du verleitet zu denken, dass du eine neue Handlung im Leben siehst.

Verstehe, dass es kein neues Ereignis im Leben gibt. Das Leben zieht einfach vorbei. Du erkennst einfach alte, vertraute Worte. Das illusionäre Ereignis, das sein sollte und nicht ist, lässt dich ungeduldig und in Unruhe zurück.

Mann und Frau mit Weisheit verstehen, dass das, was geschehen soll, auch wenn es illusionär ist, geschehen wird und keine Kraft im Leben verhindern kann, dass es geschieht.

Die Erleuchteten leben das Leben, das geschieht, und erwarten nicht, dass das Leben geschieht. Die Erleuchteten sind weder in Unruhe noch ungeduldig.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V.S. Shankar 2019 

Anmerkung des Herausgebers:
Ein leitender Angestellter hat in seinem täglichen Leben eine Sekretärin und einen Terminkalender. Dies sind seine oder ihre regelmäßigen Begleiter, ohne die er oder sie wichtige Ereignisse verpassen oder zu spät kommen würde. Ein nichtleitender Angestellter hat ein tägliches Arbeitsmuster und eine Uhr als seine Begleiter. Dies sind seine Absicherungen. Nur die Erleuchteten leben ohne Absicherungen, denn sie verstehen das Leben. Absicherungen sind jedoch die conditio sine qua non im Wachzustand eines jeden Menschen. Sie schützen vor unerwarteten, unvorhersehbaren und unkontrollierbaren Ereignissen, die die regelmäßigen Abläufe am Arbeitsplatz und im Haushalt durcheinander bringen können. Nur die Weisen verstehen, dass das, was auch immer passiert, von der Intelligenz des Lebens bestimmt ist. Es kann nicht anders sein. Dies zu verstehen, kann zu einer Erholung von der Unruhe und Ungeduld im alltäglichen Leben führen.
Julian Capper. Großbritannien. 

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Die meisten Menschen sind noch nicht wach genug, um zu erkennen, dass jeder Moment einzigartig, ohne Wiederholung und unvorhersehbar ist, obwohl der Verstand einen glauben macht, dass es anders sei. Eine tief gehende Untersuchung ist den meisten noch nicht geschehen, bis sie einem Weisen, wie hier Dr. Shankar, begegnen. 
Die Untersuchung könnte in etwa so aussehen: Wenn eine Weggabelung kommt und du dich auf sie zubewegst, woher weißt du dann, ob du rechts oder links gehen wirst, solange du nicht tatsächlich abgebogen bist? Du kannst es nicht wissen! 
Egal welcher Gedanke im Moment des Abbiegens kommt, frage dich: Hast du den Gedanken geplant? Er ist dir geschehen, wie auch das Abbiegen dir geschehen ist, denn du hattest ja keinen Gedanken, der diesen Gedanken geplant hätte, wohin du abbiegen sollst. 
Und ist da etwa jedes Mal ein Gedanke in diesem Moment des Abbiegens oder biegst du einfach plötzlich ab, manchmal mit und manchmal ohne Gedanken? Wer also entscheidet über das Abbiegen, du oder das Leben? 
Es ist das Leben, denn „Du“ bist nicht beim Abbiegen präsent, denn in einen Moment passt kein ganzer Gedanke. Und der Gedanke, auf eine Weggabelung zu treffen und jedesmal vor derselben Wahl zu stehen, ist ebenso illusionär, denn jeder Moment, in dem du auf die Weggabelung zugehst ist einzigartig und neu. Die Wiederholung ist ein illusionärer Gedanke in deinem Verstand! 
So oder ähnlich könnte eine weise Untersuchung von Wahl und Entscheidung im Alltag geschehen und zu dem weisen Schluss kommen, dass nicht du es bist, der deine Gedanken und Handlungen steuert. Es beunruhigt den Menschen allerdings, solange diese Untersuchung noch nicht geschehen und tief verstanden wurde. Entscheiden und Wählen im Alltag erscheint schwierig, möchte doch keiner die „falsche“ Wahl treffen. 
Die damit einhergehende Ungeduld und Unruhe betrifft jede Wahl im Alltag eines Menschen, die ihm bedeutsam erscheint. Dr. Shankars Artikel wirft ein vollkommen klares Licht auf die spontane Entfaltung des Lebens und macht deutlich, dass es für uns alle immer nur einen einzigen Weg durchs Leben gibt, auch wenn es so aussieht als könnten wir zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten wählen. 
Marcus Stegmaier, Deutschland. 

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