Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
15 September 2019   

Vertrauen (1)

„Sicherheit“

 

Vertrau mir - die Worte auf den Lippen aller Liebenden. “Vertrau mir", fleht der Mensch, als ob er sagen würde: "Mir kann man nicht trauen". Der Mensch hat es schwer, einem anderen zu vertrauen, aber warum? Ist Vertrauen etwas, was der Mensch tun muss?

Ist der Mensch anfällig dafür, unehrlich zu sein? Ist Unehrlichkeit real und wie könnte sie real sein, wenn die Welt illusionär ist, wie von den Weisen verkündet? Wenn diese Welt illusionär ist, muss auch Vertrauen illusionär sein. 

Es hat keinen Sinn, zu betonen, dass man dem Menschen vertrauen muss. Er kann es einfach nicht, weil der Mensch nicht den Moment macht, in dem Vertrauen ist. Vertraue auf Gott - der Schrei auf den Lippen jedes religiösen Menschen, aber kann der Mensch Gott vertrauen, wenn er seinen Mitmenschen nicht vertrauen kann?

Wenn der Mensch Tag für Tag mit einem anderen Menschen in Beziehung treten muss, wie kann dann der Mensch jemals Gott vertrauen? Trifft der Mensch Gott im Alltag, damit er Gott vertrauen könnte? Was wäre die Grundlage für das Vertrauen des Menschen in Gott oder in einen anderen Menschen? Das Testgelände ist der Moment "hier und jetzt" im Leben. 

Hat der Mensch eine Ahnung, was Gott tut und was nicht? Ist der Mensch sicher, dass Gott jemals etwas tut? Könnte Gott in der Vergangenheit oder der Zukunft leben, wenn der Moment "Hier und Jetzt" alles ist, was es gibt?

Warum sollte Gott in der Vergangenheit oder der Zukunft leben, wenn das Leben im zeitlosen und gedankenlosen "Jetzt" stattfindet? Die Wissenschaft verkündet, dass das Leben Energie ist. Es ist die Intelligenz des Lebens, die die Wissenschaft dazu bringt, dies zu verkünden.

Diese Intelligenz ist Gott, Energie oder das Leben. So illusionär der Mensch auch ist, wie könnte er Gott vertrauen, geschweige denn dem Menschen? Wenn der Mensch Gott vertrauen soll, ist es ein Bekenntnis, dass Gott im gegenwärtigen Moment ist. 

Wenn Gott im gegenwärtigen Moment anwesend wäre, würde Gott dem Menschen erlauben, Unrecht zu tun, besonders wenn der Mensch Gott vertraut, dass dieser Unrecht verhindere? Nun, auf welchen Menschen soll Gott überhaupt hören, wenn es so viele auf der Welt gibt?

Dass Gott über den Menschen wacht, schürt die Angst im Menschen. Warum sollte Gott über den Menschen wachen, wenn Gott den Menschen erschaffen hätte? Würde Gott nicht den perfekten Menschen erschaffen? Wenn Gott einen unehrlichen Menschen geschaffen hat, könnte der Mensch Gott die Schuld geben?  Was könnte also Vertrauen sein? Sind es Erwartungen? Das kann einfach nicht sein, aber das ist der Glaube des Menschen. Es ist genau dies, denn der Mensch erwartet und vertraut darauf, dass seine Erwartungen erfüllt werden. Wenn sie es nicht sind, findet er heraus, dass sein Vertrauen falsch war und gebrochen wurde.

Vertrauen ist Gewissheit im Leben, denn der Moment im Leben wird sicher jeden Moment geschehen, während weder Mann noch Frau den Moment im Leben machen. Vertrauen ist Gewissheit im Leben, egal was im Moment passiert. Schließlich kann jeder Moment nichts anderes enthalten, als das, was der Moment enthält.

Die Erleuchteten vertrauen dem Leben, wie es in jedem Moment ist, und erwarten nichts im Leben in irgendeinem Moment, denn Gott, Intelligenz/Energie/Leben ist in jedem Moment.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2019

Anmerkung des Herausgebers: 
„Ich verspreche, dem Überbringer auf Verlangen die Summe von ........Pfund zu zahlen.“ Diese Worte des Hauptkassierers sind auf jeder britischen Banknote aufgedruckt. Allerdings ist der Druck so klein, dass nur wenige Besitzer das Versprechen überhaupt lesen oder wahrnehmen würden. Ein Versprechen, wenn auch illusionär, zielt darauf ab, Beziehungen mit Erwartung und Vertrauen im täglichen Leben herzustellen. So auch das einst etablierte Motto „An mein Wort bin ich gebunden.“ Die Weisen jedoch, in ihrem Mitgefühl für das Wohlergehen des Menschen, offenbaren in diesem Artikel und anderswo, dass der Mensch nicht der Handelnde ist. Dies zu verstehen ist das Geschenk des Vertrauens in jedem Moment des Lebens und in das, was der Moment enthält. Das ist die Natur der Gewissheit. 
Julian Capper, Großbritannien

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Das beim modernen Menschen weit verbreitete Lebensgefühl ist Angst. Was bei Tieren und im primitiven Menschen noch ein instinktives und zeitlich auf Gefahrensituationen begrenztes Phänomen war, hat sich auf weite Teile des Wachzustands und Traumzustands hinein ausgebreitet. Dies liegt an der Höherentwicklung des Verstandes, der sich Dinge vorstellen kann, die momentan nicht da sind. Die Vorstellungskraft des Verstandes projiziert eine Realität, die bei näherer Betrachtung illusionär ist. Die Weisen durchleuchten die illusionäre Realität des Verstandes, indem sie klar machen, wie illusionär die Vorstellung von einem Handelnden ist, der absolute Sicherheit in Bezug auf ebenfalls illusionäre Erwartungen erzeugen könnte. Wo kein real Handelnder, da gibt es auch keine beängstigende Ratlosigkeit oder Rastlosigkeit. So teilt Dr. Shankar in diesem Artikel nicht die Vermeidung oder Zurückweisung von Angst, sondern stärkt das Vertrauen in den nicht vom Menschen geschaffenen Moment „Hier und Jetzt“ mit allen seinen Inhalten, die ebenfalls nicht vom Menschen gemacht werden. 
Marcus Stegmaier, Deutschland

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