Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
22 März 2018 

Wirklichkeit

„Gewissheit”

 

Jeder Mann und jede Frau ist überzeugt von der Wirklichkeit, die sie erleben in allem, was sie tun, sagen, denken oder hören. Diese Überzeugung überzeugt jeden Mann und jede Frau weiterhin, dass sie im Alltag in der Lage sind, etwas zu tun, zu sagen, zu denken und auch zu hören. Sie sind sich dieser Wirklichkeit im Alltag gewiss. 

Die Gewissheit dieser Überzeugung widerspricht allerdings der Überzeugung der Erleuchteten, weil die Erleuchteten verkündet haben, dass der Mensch nicht der Handelnde ist. Das heißt, dass der Mensch mit Sicherheit nicht der Sprechende, Denkende oder auch der Zuhörende ist. 

Wenn Mann und Frau tatsächlich die Handelndenwären, wären sie sich über alles, was auch immer sie tun, sprechen, denken und hören, sicher. Sie sind sicher, dass sie die Handelndensind, weil die Gedanken darüber, was sie tun, sprechen, denken und hören, in ihrem Gedächtnis sind,und auch, dass sie es tun. 

Was also könnte das Verständnis sein, das denErleuchteten nicht widerspricht? Dasist die Frage. 

Nun, obwohl Mann und Frau sich aufgrund ihrer Erinnerung sicher sind, was sie tun, sprechen, denken oder hören, und auch, dass sie es tun, gibt es keinen Vorgedanken, der mit Sicherheit die genauen Gedanken anzeigt, was sie tun,werden, sagenwerden, denken werden oder hörenwerden! 

Mann und Frau wissen mit Gewissheitdie Wirklichkeitder genauen Handlung; kennen mit Gewissheit die Wirklichkeitdes exakten, gesprochenen Wortes; kennenmit Gewissheit die Wirklichkeitdes genauen Gedankens; undkennen mit Gewissheitdie Wirklichkeitder genauen Worte, die sie hören, erst, nachdem sie geschehen sind. 

Dies bedeutet, dass die Erinnerung in Mann und Frau nicht mit Gewissheitdie Wirklichkeitder Handlung mitteilt, die sie in jedem Moment tun werden, bevor die Handlung tatsächlich in dem Moment geschieht.

Es bedeutet auch, dass Mann und Frau nicht mit Gewissheit die Wirklichkeitwissen, welches Wort sie in jedem Moment sprechen werden, bevor das Wort tatsächlich in dem Moment gesprochen wird.

Es bedeutet außerdem, dass Mann und Frau nicht mit Gewissheit die Wirklichkeit kennen, welches Wort sie in jedem Moment denken oder in dem Moment hören werden, bevor das Wort tatsächlich in diesem Moment gedacht oder gehört wird.

Das Wichtigste, was man verstehen muss, ist: Pflanzenwelt und Tierreich befanden sich viel früher in dem Moment als der Mensch im Moment war. Dies bedeutet, dass der Mensch keinen Moment im Leben macht. Dies bedeutet, dass die Intelligenz im Leben nicht nur den Menschen im Moment manifestiert hat, sondern auch alles, was sich in jedem Moment befindet. 

Da die Gewissheit der Wirklichkeit im Moment des Lebens liegt, impliziert dies, dass die Intelligenz im Leben die Wirklichkeit manifestiert, die sich in jedem Moment befindet. Das beweist, dass der Mensch nicht der Handelnde, der Sprechende, der Denkende oder der Zuhörende ist. Der Mensch ist aber der Handelnde, der Sprechende, der Denkende und der Zuhörende, wenngleich illusionär.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2018

Anmerkung des Herausgebers: 
Weder Mann noch Frau machen den Moment, in dem sie leben und atmen, noch den Moment, in dem Handlungenund Erfahrungen stattfinden. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass wir die Wirklichkeitder Erfahrungen und Handlungen und sogar die Wirklichkeitder Taten erleben, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie ausführen. Ebensowenig kann die Wirklichkeitdes Verständnisses dieser Worte der Weisen erlebtwerden. Verständnis magoder magnicht verwirklichtwerden.
Julian Capper, Großbritannien. 

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Alles, was man über sich selbst weiß und anderen über sich erzählt, sind Geschichten, die sich ständig ändern. Daher kommen sie einem von Zeit zu Zeit merkwürdigvor, so als hätte sie ein Schriftsteller erfunden, um eine Figur zu beschreiben. Und dennoch glaubt der Mensch, dass seineGeschichten die Wirklichkeit über ihn sind. Bei einem Bewerbungsgespräch zum Beispiel erzählt man die eigenen Lebensgeschichte auf eine Weise, die zu der Arbeitsstelle passt. Man lässt alles Unpassende einfach weg. Oder man erzählt etwas, das man möglicherweise selbst als Lüge bezeichnen würde. Doch die wirkliche Geschichte über einen Menschen gibt es nicht. Was wir über uns und die Welt als wirklich erachten ist, wie Dr. Shankar in dem Artikel „Wirklichkeit“ offenbart, Illusion. 
Marcus Stegmaier, Deutschland. 

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