Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
5 Januar 2020 

Abenteuer (6)

„Leben"

 

Ein reicher Mensch will reich sein, weil er sich im Leben sicher fühlen will. Doch wenn ein reicher Mensch erkennt, dass der Reichtum zu ihm gekommen ist und er ihn nicht geschaffen hat, ist er eine andere Art reicher Mensch.

Aber wenn ein reicher Mensch sich den Reichtum sichern will, wird er in Angst leben: Was passiert, wenn meine Bank bankrott geht? Mein ganzer Reichtum wird verschwinden. Ich werde ebenso bankrott sein. Ein reicher Mensch wird sich genau der Sicherheit wegen fürchten, die er sich wünschte.

Außerdem, wenn man sich ganz allgemein umschaut - die Reichen können nicht schlafen. Aber ein armer Mensch ist so reich, dass er schlafen kann. Siehst du das Paradox? Doch wenn ein reicher Mensch versteht, dass der Reichtum zu ihm gekommen ist, wird er verstehen: Sicherheit erzeugt Angst in ihm! 

Verstehe, dass nichts im Leben gesichert werden kann, denn, was kommen soll, kommt und, was gehen soll, geht. Dann wirst du verstehen, dass du das Bild jenes Lebens sichern willst, das du in deinem Verstand hast.

Du willst das Bild jenes Lebens sichern, das du nicht sehen kannst. Lohnt es sich, jenes Leben zu sichern, das du nicht sehen kannst, oder lohnt es sich, zu verstehen, dass das Leben, das du sehen kannst, so sicher ist, wie es bestimmt ist zu sein?

Verstehe, dass du das Leben nicht sichern kannst, weil es kommen kann oder auch nicht kommen kann.

Dann wirst du verstehen, oh du meine Güte, dieses Leben, das ich sichern will, ist von selbst sicher. Schließlich kommt ja jeder Moment von selbst, zusammen mit dem, was in diesem Moment bestimmt ist zu sein. 

Alles kommt in dem Moment, wenn es bestimmt ist zu kommen, und wird in keinem Moment kommen, wenn es nicht zu kommen bestimmt ist. Das Leben ist paradox. Regen, wie kommt er zustande? Woher kommt er? Wir sagen einfach, oh du meine Güte, Regen.

Es gibt so viel Paradoxes für dich da draußen, um es zu sehen, zu leben und zu verstehen. Dann geht es dir gut. Dann wirst du in dem Moment sicher, in dem du aufgehört hast zu versuchen, sicher zu sein. 

Du wirst in dem Moment sicher, in dem du siehst, dass das Leben so sicher ist, wie es bestimmt ist zu sein. Du wirst in dem Moment sicher sein, in dem du verstehst, dass die Sicherheit des Lebens dir in deinem Verstand als Unsicherheit erscheint. 

Wenn du verstehst, dass das Leben den Weg gehen wird, den es bestimmt ist zu gehen, wird das Leben für dich zu einem Abenteuer, das es zu entdecken gilt.

Die Erleuchteten erkennen, dass jeder Moment im Leben ein Abenteuer ist.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V.S. Shankar 2019

Anmerkung des Herausgebers:
Jedes Lebewesen braucht Sicherheit. Das ist beobachtbar bei Lebewesen, die fliegen, gehen, robben, schwimmen, kriechen, schlittern und sogar hüpfen. Sie fliehen, meiden oder greifen alles an, was in ihnen Unsicherheit hervorruft, um für sich ein Sicherheitsgefühl zu schaffen. Das ist Instinkt und kein Gedanke im Verstand des Lebewesens. Das Leben kann, oder auch nicht, durch den Instinkt das bieten, was das Lebewesen braucht. Der Mensch bedient sich vieler Wege, um sich sein Sicherheitsgefühl zu schaffen, unterstützt durch den Glauben, dass er der Handelnde sei. Er wagt es nicht, bezüglich der Sicherheit auf das Leben selbst zu vertrauen, da es ein Leben ist, das ihm sowohl das liefern kann, was er glaubt zu brauchen, als auch nicht. Durch sein allmähliches Verständnis dessen, was die Weisen verkünden, nämlich dass jeder Moment das enthält, was er soll, kann der Mensch sich dem Abenteuer der Sicherheit des Lebens anschließen, wenngleich es paradox ist.
Julian Capper. Großbritannien 

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Die Verwechslung von Abhängigkeit mit Liebe verursacht Angst vor dem Verlassenwerden. Wer seinen Partner liebt, wird nicht von ihm verlangen, dass der andere ihn niemals verlässt. Liebe bedeutet, keine Bedingungen zu haben und dem anderen immer das Beste zu wünschen. Auf dieselbe Weise kann man abhängig sein von seiner Arbeit. Du sagst dir, hoffentlich verliere ich meine Arbeit nie, ich möchte nicht, dass sie zu Ende geht. Das bedeutet nicht, dass du deine Arbeit liebst, sondern du hältst dein Glück für abhängig von deiner Arbeit. Verstehe, wenn dein Partner geht, ist es bestimmt, dass die gemeinsame Zeit zu Ende geht. Verstehe, wenn du deine Arbeit verlierst, war dies genau der Zeitpunkt, in dem es bestimmt war, dass du eine andere Beschäftigung aufnimmst. Diese Offenheit und Bedingungslosigkeit gegenüber allem, was dir im Leben widerfährt, macht dich frei von Abhängigkeit und Angst, etwas verlieren zu können. Es ist der Beginn einer Liebesbeziehung mit dem Leben, wie es dir widerfährt, ob du willst oder nicht. Dr. Shankars Artikel erläutert diesen Aspekt der Bedingungslosigkeit in diesem Artikel anhand des Beispiels von Reichtum und deutet auf den inneren Reichtum, den jeder in sich trägt, meist ohne sich dessen bewusst zu sein. 
Marcus Stegmaier, Deutschland. 

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