Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
11 April 2020 

Gefühle (3)

„Richtig und falsch“


Verstehe, dass Einheit bedeutet, dass du keine Dualität trennen kannst. Du kannst ein richtiges Gefühl nicht von einem falschen Gefühl trennen, egal, wie sehr du dich auch bemühst. Wenn du sagst, etwas sei richtig, dann schau genau hin und du wirst etwas Falsches daran finden. 

Wenn du nichts Falsches daran finden kannst, frag jemand anderes und jemand wird sicherlich etwas für ihn Falsches daran finden. Wenn du etwas Falsches findest, läuft es auf dasselbe hinaus. Frag andere und irgendjemand wird mit Sicherheit etwas daran finden, was für ihn richtig ist. 

Wie kann eine Frau oder ein Mann manchmal richtig liegen und ein andermal falsch? Wie ist das möglich? Was ist es, was ihn oder sie so macht? Das muss man verstehen. 

Verstehe, dass das Leben dir so viele Lösungen geben wird, das Falsche loszuwerden und das Richtige zu fördern. Deine letzendliche Erkenntnis wird sein, dass du immer noch sowohl recht als auch unrecht hast und sich nichts geändert hat, sodass man immer nur das richtige Gefühl hätte. 

Das Paradox ist, dass alle Eltern ihren Kindern sagen werden, sie sollen nur richtige Gefühle und niemals falsche Gefühle haben. In ihrem Alltag liegen Eltern entweder richtig oder falsch und niemals richtig. 

Verstehe die Schönheit des Lebens. Es gibt nichts, wovor man wegrennen müsste. Erleuchtung ist ein gedankenfreier Zustand und ein zeitloser Zustand, weil das Leben in jedem Moment zeitlos und gedankenfrei ist. 

Verstehe, dass da, wo du lebendig bist, ob du willst oder nicht, jeder Moment gedankenfrei und zeitlos ist. Wenn es einen einzigen Gedanken in deinem Verstand gibt, der dir als richtig oder als falsch erscheint, dann gibt es keine Chance für dich, erleuchtet zu sein. 

Verstehe, dass der Verstand mit Gedanken von richtigen und falschen Gefühlen nicht das Leben ist, wie das Leben ist. Wie kann man die richtigen und falschen Gefühle verstehen, die euch in eurem Alltag geschehen?

Woher kommen Gefühle? Wenn du der Handelnde wärst, wieso solltest du dann diesen Gefühlen erlauben, zu dir zu kommen? Du musst also darüber nachsinnen, was diese Gefühle sind? Woher kommen sie? Und was versuchen sie dir beizubringen?

Musst du immer hoffen, immer richtig und niemals falsch zu sein gegenüber einem anderen Mann oder einer anderen Frau? Musst du dafür beten, dass der andere dich immer richtig und niemals falsch behandelt? Ist es eine Frage von Kontrolle über das gegenseitige Verhalten und von Erwartungen an das gegenseitige Verhalten?

Das Leben sieht wie ein Glücksspiel aus. Du spielst im Leben und bei einem Glücksspiel kannst du gewinnen oder verlieren. Wohin führen dich dann die Gefühle? 

Die Weisen verstehen, dass richtige und falsche Gefühle dich zu Akzeptanz oder Ablehnung führen. Die Weisen verstehen, dass die Tiefe des Verständnisses des Lebens die Qualität der Gefühle in dir widerspiegeln. Die Weisen verstehen, dass das Gefühl in jedem Moment nicht anders sein kann als das Gefühl, was in dem Moment ist. 

Die Erleuchteten leben die Gefühle, die ihnen geschehen. 

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V.S. Shankar 2020 

Anmerkung des Herausgebers: 
In einem Gericht ist es die Aufgabe der Jury, festzustellen, ob die Handlungen des Angeklagten, für die er angeklagt wird, falsch oder nicht falsch sind oder ob er sie begangen hat oder nicht. Das Ergebnis der Feststellung geht dann an den vorsitzenden Richter über zur Festsetzung der Strafe oder des Freispruchs. Dieses System ist seit langem der respektierte Eckpfeiler für die Regelung des täglichen Lebens in einer Gemeinschaft. Die Dualität von Recht und Unrecht wird daher vom denkenden Menschen weitgehend akzeptiert, ebenso wie die Rolle, die sie bei der Bildung der täglichen Urteile spielt. Dieses Verständnis der Dualität ist jedoch nicht so, wie die Weisen es verstehen. Es ist das Leben, das als die Weisen das Verständnis vermittelt. Es gibt kein Zweites im Leben. Es gibt keine Ablehnung im Leben. Die Quelle ist eine Quelle ohne Urteil; alles andere ist Illusion.  
Julian Capper, Großbritannien. 

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Normalerweise werden zum Beispiel Eifersucht, Neid, Hass und Wut als falsche Gefühle betrachtet. In bestimmten Situationen allerdings gelten diese Gefühle als angemessen, zum Beispiel, wenn man selbst oder andere der Meinung sind, dass einem schlimmes Unrecht widerfahren ist. Die Relativität der Bewertung von Gefühlen entzieht sich jedoch der alltäglichen Wahrnehmung des Menschen, selbst, wenn sie in philosophischen oder psychologischen, religiösen oder spirituellen Kontexten gelegentlich erläutert wird. Dr. Shankar ordnet die gesamte Bandbreite der menschlichen Gefühle auf einer anderen Ebene neu ein, die über Philosophie, Psychologie, Religion und Spiritualität, kurz über die Dualität des Verstandes, hinausgeht. Das Richtige und das Falsche sind nicht real im Leben, sondern illusionäre Vorstellungen, die das eine, immer richtige Leben im Verstand als Dualität von richtig und falsch begleiten. Dass richtig minimal falsch und falsch minimal richtig ist, wurde an anderer Stelle in Dr. Shankars Werk erläutert. Dieser Artikel beleuchtet deutlich die Qualität der Beziehungen und wie sich die Oberflächlichkeit oder Tiefe des Verständnisses von richtigen und falschen Gefühlen darauf auswirkt. Mögen die Leser dies selbst in ihrem Leben beobachten und erfahren. 
Marcus Stegmaier, Deutschland. 

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