Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
Niederlande
11 Juni 2019 

Interesse (1)

„Zu tun“


Primitive Männer und Frauen lebten instinktiv, bis sich in den vorzeitlichen  Menschen Wissen und Erinnerung an Wissen entwickelte. Ebenso entwickelte sich das Wissen über Vergangenheit und Zukunft beim vorzeitlichen Menschen.

Primitive Menschen waren instinktiv daran interessiert, das zu tun, was sie jeden Tag taten, obwohl sich in ihnen weder Wissen noch Erinnerung entwickelt hatten. Als sich Wissen und Gedächtnis entwickelten, hatten die Menschen Interesse daran, das zu tun, was sie jeden Tag taten, wegen des Gedächtnisses.

Die Erinnerung und das Wissen über die Vergangenheit und Zukunft war zunächst an den Tag, der verging, und den Tag, der noch kommen wird. Der primitive Mensch hatte also Interesse daran, was er am Tag und am nächsten Tag tun sollte. 

Im Laufe der Evolution entwickelten sich die Erinnerung und das Wissen über Vergangenheit und Zukunft, und der vorzeitliche Mensch hatte Interesse daran, was er in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren tun sollte.

Dieses Phänomen von Erinnerung, Wissen, Vergangenheit und Zukunft wird deutlich, wenn man das heutige Kind beobachtet. Das heutige Kind kennt zunächst ein Wort und schließlich viele Worte und erinnert sich später an die Worte, nachdem sich die Erinnerung entwickelt hat.

Später hat das heutige Kind Interesse daran, das zu tun, was es jeden Tag tut, und im Laufe der Evolution hat das Kind Interesse daran, was es am nächsten Tag und in den kommenden Tagen tun soll.

Deshalb interessieren sich die heutigen Männer und Frauen dafür, was sie jeden Tag tun sollen. Wenn sie in vielen Momenten des Tages oder wochenlang nichts tun, sind moderne Männer und Frauen mit Wissen unruhig, ungeduldig und werden von unerwünschten Schatten der Emotionen mit einer großen Vielfalt und Intensität überwältigt.

Aber die weisen Männer und Frauen der Antike und der Neuzeit sind ruhig, gelassen, beständig und geduldig mit Vertrauen in jedem Moment des Lebens und haben keine unerwünschten Emotionen.

Der weise Mann und die weise Frau sind frei von unerwünschten Emotionen, weil sie verstehen, dass der Moment an jedem Tag geschieht und sie keinen Moment im Leben machen.

Der weise Mann und die weise Frau sind frei von unerwünschten Emotionen, weil sie verstehen, dass das, was im Moment an jedem Tag geschieht, geschieht und sie nicht machen, was in jedem Moment im Leben ist.

Der weise Mann und die weise Frau sind frei von unerwünschten Emotionen, weil sie verstehen, dass das, was im Moment an jedem Tag ist, nicht anders sein kann als das, was im Moment ist.

Der weise Mann und die weise Frau sind frei von unerwünschten Emotionen, weil sie verstehen, dass sie im Moment nichts tun können. Das liegt daran, dass der Moment viel früher geschieht als sie im Moment etwas tun könnten.

Der weise Mann und die weise Frau sind an der Intelligenz interessiert, die den Moment geschehen lässt. Die Erleuchteten bewundern den Moment, der geschieht, und akzeptieren alles, was im Moment passiert.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2017

Anmerkung des Herausgebers:
Dieser Artikel kommt den Emotionen und Erwartungen des täglichen Lebens, die jeder Mann und jede Frau erlebt, auf einleuchtende Weise nahe. Der feste Glaube, dass wir eine gewisse Kontrolle darüber haben, was passieren kann oder, schlimmer noch, dass wir keine Kontrolle darüber haben, was passieren kann, ist ein fruchtbarer Boden für unerwünschte Emotionen. Wir sind dazu gekommen, mit fast ständiger Erwartung zu leben, als ob wir auf Treibsand laufen würden. Den gegenwärtigen Moment zu verstehen, das heißt, auch was er enthält, ist das große Geschenk der Intelligenz des Lebens. Die Weisheit der Erleuchteten, wie sie in diesem Artikel vorgestellt wird, ist der feste Boden für das Verständnis. Es öffnet die Tür zu Vertrauen und Akzeptanz dessen, was das Leben bietet. 
Julian Capper, Großbritannien 

Anmerkung des deutschen Übersetzers: 
Wie dieser Artikel offenlegt, ist das Interesse des Menschen über das, was war, ist und kommen wird, evolutionär gewachsen, er hat es nicht selbst gemacht. Wenn sich das Interesse des Menschen evolutionär vom Inhalt des Gestern, Heute und Morgen zu der Frage verlagert, ob das Interesse und der Inhalt real oder illusionär ist, eröffnet sich ihm eine neue Perspektive auf sein Leben und das Leben der anderen. Im Kommentar des Herausgebers wird darauf hingewiesen, wie die Vorstellung, der Handelnde zu sein, das Interesse an dem, was nicht ist, jedoch nur zu sein scheint, das heißt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, bestimmt und emotional auflädt. Keiner entkommt den Erwartungen des Verstandes, die seine Emotionen beflügeln, unabhängig davon, ob er oder sie sich gerade für jemanden hält, der sein Leben im Griff hat oder eben nicht im Griff hat. Die Weisen verweisen nicht darauf, dass der Mensch „nichts tun kann“, um seine Zukunft zu gestalten, was ihn als hilflose Kreatur zurückließe, sondern darauf, dass alles, was geschieht, eine Illusion im Verstand ist und keine Realität im Leben. Nur diese Klarheit im Verständnis fokussiert das menschliche Interesse auf das zeitlose Hier und gedankenfreie Jetzt, wo das Leben fließt. 
Marcus Stegmaier, Deutschland. 

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