Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
The Netherlands
16 September 2016

Tun

„Ist Tun möglich?" 

 

Der Mensch glaubt, dass Tun möglich ist und Tun in der Sache endet, die getan wurde. Die Tatsache, dass der moderne Mensch einen Namen hat, stärkt seinen Glauben noch, dass er, weil sein Tun im Getanen endet, der Handelnde ist, der das Getane erledigt.

Die Erleuchteten haben darauf hingewiesen, dass der Mensch nicht der Handelnde ist. Die Erleuchteten bekräftigen allerdings, dass das Tun existiert, wenngleich illusionär. Wie kann dieses Verständnis dem konditionierten Verstand Klarheit bringen?

Der Punkt, an dem dieses Verständnis beginnt, ist der Name. Der Mensch ist durch seinen Namen bekannt. Der Mensch wurde allerdings nicht mit einem Namen geboren. Der Mensch bekommt erst nach seiner Geburt einen Namen. Also wird das Tun von einem Mann oder einer Frau getan, dem man einen Namen gegeben hat.

Ein Name hat tiefgründige Implikationen. Es bedeutet, da einem Mann und einer Frau ein Name gegeben wird und sie ihre eigenen Namen nicht von selbst kennen, dass selbst dem ersten Menschen auf Erden ein Name gegeben werden musste und er nicht von selbst einen Namen haben konnte. Wer könnte also dem ersten Menschen auf Erden einen Namen gegeben haben? Keiner konnte das tun, ist die offensichtliche Antwort aufgrund von Logik und Vernunft.

Tiefe Logik und Vernunft zeigen auf, dass ein Name für den ersten Mann oder die erste Frau sich evolutionär entwickelt hat und dasselbe auch für die Erinnerung an seinen oder ihren Namen gilt. Daher haben sich in der Erinnerung des modernen Verstandes Erinnerungen an Namen evolutionär entwickelt und der moderne Mann und die moderne Frau bekommen ihre Namen ebenfalls als ein Prozess der Evolution. Es erscheint für den Verstand dennoch so, dass ein Name von den Eltern für ihr Kind ausgewählt worden sei.

Obwohl der primitive Mensch keinen Namen hatte, machte er dennoch etwas. Sonst hätte er nicht überlebt und dadurch wäre auch der moderne Mensch nicht durch Fortpflanzung entstanden. 

Dieses Verständnis zeigt, dass dem primitiven Menschen Tun als ein Prozess der Evolution geschah, ob er nun einen Namen hatte oder nicht. Tun geschieht weiterhin dem modernen Menschen als ein Prozess von höher entwickelter Evolution und das Tun ist weder abhängig von seinem Namen noch von ihm selbst als einem Handelnden.

Der Mensch hat keine Kontrolle über die Evolution und er kann folglich auch nicht seinen Intellekt steuern, der von der Evolution abhängig ist. Der Intellekt entwickelt seine physische Fähigkeit sich zu bewegen und der Mensch hat seine physische Fähigkeit sich zu bewegen nicht unter Kontrolle. Wenn ein Name oder ein Mensch in der Lage ist, seine physische Fähigkeit zu steuern, wäre er in der Lage jede Tat zu vollbringen, die er wollte, sich wünscht oder ersehnt, doch das kann er nicht. Das ist offensichtlich, denn all können nicht tun, was manche tun können. Das impliziert, dass Tun dem Menschen geschieht und der Mensch das Tun nicht tun kann.

Daher bedeutet die Bestätigung der Erleuchteten, da Tun existiert, dass Tun eine Bewegung im Moment ist. Die Erleuchteten haben auch verkündet, dass das, was bestimmt ist zu geschehen, geschieht und alles, was geschieht, gleichwohl illusionär und nicht real ist.

Also ist Tun durch den Menschen nicht möglich, weil eine Bewegung nicht durch den Menschen geschehen kann. Eine Bewegung geschieht für den Menschen durch das Leben aufgrund der Evolution und der Mensch macht eine Bewegung im Leben nicht selbst für sich selbst. Eine Bewegung im Leben geschieht ihm als ein Prozess in der Evolution.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2016

Anmerkung des Herausgebers:
In einer Geschichte aus der klassischen Literatur erzählte Odysseus, nachdem er dem Riesen Zyklop das einzige Auge geblendet hatte, diesem, dass sein Name Niemand sei. Als der Zyklop seine Zyklopen-Kameraden um Hilfe bat, kamen sie schnell in seine Höhle und fragten: „Wer fügt dir Schaden zu?“ Er antwortete: „Niemand fügt mir Schaden zu.“ Sie gingen entnervt weg, da sie aus dem Schlaf gerissen worden waren. Der Mensch wiederum ist konditioniert zu glauben, dass ein Namen tragender Handelnder ein integraler Teil einer vollbrachten Handlung ist. Die Erleuchteten erwachen uns zum bemerkenswerten Prozess der Evolution des Lebens, ob wir wollen oder nicht.
Julian Capper, Großbritannien.

Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Eltern halten ihr Kind für einen Handelnden und glauben seine Handlungen hätte das Kind unter Kontrolle. Der verliehene Name ist sicherlich ein bedeutsamer Teil dieses Glaubens. Wenn das Kind, wie Objekte keinen persönlichen Namen hätte, wie Gegenstände, dann wäre der Glaube, dass ein Kind oder ein Erwachsener ein Handelnder sei, geringer ausgeprägt. Dasselbe gilt für Tiere. Wildtiere ohne einen Namen hält man weniger für absichtliche Handlungen fähig verglichen mit beispielsweise einem Hund, der einen vom Besitzer verliehenen Namen trägt. Dieser weise Artikel von Dr. Shankar hilft uns, dieses Phänomen tief zu hinterfragen und den namenlosen, spontanen, unkontrollierbaren Fluss des Lebens besser und besser zu verstehen. Dankbarkeit ist, was bleibt.
Marcus Stegmaier, Deutschland.

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