Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.

Esotera

Deutschland

2006

 

Viele Menschen, die der englischen Sprache mächtig sind, kennen das Wort „spirituality˝. Natürlich gilt dies auch für alle, die andere Sprachen sprechen, denn jede Sprache hat ihr eigenes Wort für Spiritualität. Innerhalb der gleichen Sprache hat das Wort „Spiritualität˝ die verschiedensten Bedeutungen. Würde man zu diesen noch sämtliche Bedeutungen aller anderen Sprachen hinzufügen, ergäbe sich ganz leicht eine Enzyklopädie der Spiritualität. Die Geschichte der Spiritualität ist jedoch noch etwas komplizierter, da sich der Sinn und die Bedeutungen von Spiritualität auf Grund von Interpretationen immer wieder verändern.

 

Angesammeltes Wissen über Spiritualität gibt Anlass für Interpretationen, und Interpretationen lassen wiederum das Wissen anwachsen, welches weiteren Interpretationen zur Geburt verhilft. Ein nie endender Teufelskreis setzt sich in Gang – und die Bedeutung des Wortes „Spiritualität˝ ändert sich immer wieder aufs Neue. Die wahre, alles umfassende Bedeutung des Wortes „Spiritualität" kann niemals zum Ausdruck gebracht werden! Bis jeder Mensch diese allumfassende Bedeutung kennt, wird es zwangsläufig Diskussionen, Meinungsverschiedenheiten, Debatten und Trennungen zwischen den Menschen geben.

 

Warum ist Spiritualität für manche etwas so Attraktives und für andere nicht? In erster Linie ist sie anziehend, weil sie dem Menschen das Gefühl von „Ich bin heiliger als du˝ gibt? Der Mensch möchte immer etwas Besonderes sein – und was könnte bedeutender sein, als spirituell zu sein und sich als die rechte Hand Gottes zu fühlen? Es ist, als hätte man eine Verbindung zur allerhöchsten Stelle. Der Mensch muss erst verstehen, dass er nicht ist, wer er zu sein glaubt, sondern derjenige ist, der er nicht annimmt zu sein! Da Gott überall ist, kann der Mensch nur eine Erscheinung Gottes sein. Jede Identität ist deshalb eine Illusion. Wenn das, was der Mensch behauptet zu sein, eine Illusion ist, so muss auch dies, wenn er kundtut und selbst glaubt spirituell zu sein, eine Illusion sein!

 

Was ist nun aber Spiritualität? Kann Spiritualität eine Bedeutung haben oder ist sie jenseits aller Bedeutungen? Wenn Spiritualität jenseits jeglicher Bedeutung ist, kann sie dann auf ein Wort reduziert werden? Hätte Spiritualität eine Bedeutung, würde die Bedeutung dann nicht in Beziehung zu seinem Gegenteil stehen, das außer Acht gelassen werden müsste? Jedes Wort leitet seine Bedeutung von seinem Gegenteil her – und dies ist für den Verstand die einzige Möglichkeit zu funktionieren. Wie sollte der Mensch aber eine Bedeutung außer Acht lassen können, die im Verstand ist und immer dort verweilen wird? Wenn der Mensch der Denkende ist, warum kann er dann nicht einfach nur das denken, was spirituell ist? Warum kann der Mensch die Gedanken, die nicht spirituell sind, nicht einfach anhalten? Und weiter: Könnte der Mensch wissen, was spirituell ist, wenn er keine Ahnung davon hat, was nicht spirituell ist? Um Wissen über Spiritualität zu erlangen, braucht es beide Arten von Gedanken, die spirituellen und die nicht spirituellen.

 

Würde Spiritualität nur eine Ansammlung von Glaubenssätzen bedeuten, die als göttlich angesehen werden, so kann das nicht möglich sein, da diese Ansammlung göttlicher Glaubenssätze auch ihr Gegenteil (also nicht göttlich) beinhalten wird, das dem Verstand ebenso bekannt ist. Ein Verstand wird stets sowohl die göttlichen als auch die nicht göttlichen Überzeugungen in sich tragen. Würde solch ein Verstand das Kriterium „spirituell˝ zu sein erfüllen? Wenn mit „Spiritualität˝ etwas gemeint wäre, das göttlich oder nicht göttlich ist, wer sollte dann entscheiden, was göttlich und was nicht göttlich ist?

 

Wenn Gott diese Welt erschaffen hätte, würde er dann etwas manifestiert haben, das nicht göttlich ist? Wenn Gott etwas Nichtgöttliches manifestiert hätte, würde ihn das zu Gott machen? Das Universum ist nichts anderes als Energie. Diese Energie ist Licht. Licht ist pure Intelligenz. Licht ist Gott. Wenn Gott Licht ist, kann Er dann etwas kennen, das göttlich oder nicht göttlich ist? Würde Gott dies wissen, müsste er einen Verstand haben. Wenn Gott jedoch etwas wüsste, so wäre Er in der Dualität und nicht in der Nicht-Dualität. Hätte Gott einen Verstand, dann würde Er sich nicht vom Menschen unterscheiden, und so wäre auch Er von Spiritualität angezogen, geradeso wie es der Mensch ist. Gott ist keine Person! Gott ist einfach nur göttlich. Eine Person ist nur eine Erscheinung Gottes. Eine Person ist einzig und allein ein göttlicher Aspekt Gottes!

 

Gott ist jenseits von göttlich und nicht göttlich. Gott ist jenseits von beiden, denn sowohl göttlich als auch nicht göttlich können nur durch Worte gekannt werden – dagegen ist Gott ein stiller Zustand, in dem Worte nicht als Worte existieren. Gott ist jenseits aller Dualität. Wenn Gott weder das Göttliche noch das Nichtgöttliche manifestiert hat (da Gott jenseits von Worten ist), kann es dann etwas in dieser erscheinenden, illusionären Welt geben, das wirklich göttlich oder nicht göttlich ist? Hätte Gott etwas manifestiert, das nicht göttlich ist, wäre es für den Menschen möglich darüber hinauszugehen? Das Leben ist weder göttlich, noch ist es nicht göttlich: es ist allein ein Spiel von Licht und Ton. Das, was als göttlich oder nicht göttlich bekannt ist, sind nichts als Gedanken – und diese Gedanken machen das Bekannte aus. Das Leben scheint auf Grund von Gedanken und Handlungen real. Gedanken und Handlungen sind die zwei grundlegenden Phänomene im Leben, die ein Individuum entstehen lassen. Der Mensch glaubt, dass Gedanken Handlungen ausführen, kontrollieren, gestalten und beeinflussen. Ein Weiser versteht, dass Gedanken und Handlungen ein und dasselbe sind – und Gedanken keine Handlungen ausführen, kontrollieren, gestalten und beeinflussen können. Dass Gedanken (das Bekannte) und Handlungen eine Illusion sind, wird im Folgenden verdeutlicht.

 

 

Das Bekannte

 

Das Wort wodurch die Mehrheit der modernen Menschen „Gott˝ kennt, ist Teil der ihr vertrauten Sprache. Auch der urzeitliche Mensch wusste – entweder seiner rudimentären Sprache wegen oder auf nonverbale Weise – von Gott. Sogar Atheisten gebrauchen das Wort „Gott", wenn sie Ihn verneinen. Das Wort „Gott˝ ist daher mehr oder weniger allgemein bekannt, sei es nun in verbaler oder nonverbaler Form. In jeder Sprache ändert sich das Gottesbild immer wieder. Wer könnte somit entscheiden, welches Bild von Gott real ist? Gott kann niemals das sein, was sich der Verstand unter „Gott˝ vorstellt. Seit Urzeiten bis hin zum gegenwärtigen Zeitalter ist die Kenntnis über Gott im menschlichen Verstand gewachsen. Man könnte sagen, dass die Bandbreite des Wissens über Gott sehr groß ist. Einige mögen ein wenig über Gott wissen, andere mehr: es ist nur eine Frage von gesammelten Informationen über Gott. Wenn jemand sehr viel über Gott weiß, dann macht ihn das nicht spirituell – er wird nur zu einem Gelehrten bezüglich des Themas „Gott˝. Wenn man weiß, dass Gott spirituell ist, dann sind alle spirituell, da alle in einem gewissen Maße Gott kennen. Es ist nur eine Frage des Grades an Wissen.

 

Was könnte das Bekannte sein? Ist das Bekannte etwas Reales? Hat das Bekannte irgendeine Bedeutung, die real sein könnte? Bei genauer Betrachtung entlarvt sich jede Form des Bekannten mit seiner jeweiligen Bedeutung als eine Bezeichnung. Es gibt in dieser Welt nichts, das definitiv als eine Realität gekannt werden könnte. Jede Form des Bekannten, wenn man ihre wahre Natur aufspürt, ist einzig und allein Energie – und nichts Bestimmtes kann über sie ausgesagt werden. Es gibt in diesem Universum nichts, über das man mit Gewissheit Bescheid wissen könnte! Etwas Bekanntes ist nur eine Bezeichnung – und eine Bezeichnung ist lediglich Ton! Deshalb ist ein Gedanke eine Illusion: er existiert nicht als etwas Reales. Das macht auch den Verstand zu einer Illusion – und zugleich wird dadurch alles Bekannte ebenfalls zu einer Illusion.

 

Was ist das Bekannte? Das Bekannte kann ein Gedanke, eine Idee, eine Überzeugung, eine Vision, ein Bild, eine Erfahrung und ein oder mehrere Worte sein, die entweder gesprochen oder geschrieben werden. Es können auch die vielen Handlungen des täglichen Lebens sein, welche religiöse Handlungen, solche wie Rituale, Beten, Singen und Rezitieren, spirituelle Praktiken wie Meditation, die verschiedenen spirituellen Techniken (die mit der Nachfrage nach Spiritualität zunehmen) und sogar Kriege, beinhalten – kurz gesagt: jede erdenkliche Handlung. Alle diese Formen des Bekannten sind ihrer Natur nach dual und existieren in der Zeit – Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Der Glaube, dass das Bekannte die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft enthüllen würde, ist sehr überzeugend – nichtsdestoweniger ist das Bekannte aber dennoch eine Illusion. Das Bekannte ist immer in der Vergangenheit – und die Gegenwart bzw. Zukunft sind ebenfalls die Vergangenheit. Die Gegenwart und die Zukunft sind nichts als die projizierte Vergangenheit. Die Vergangenheit, wird sie den Vorlieben und Abneigungen gemäß neu geordnet und frisch aufpoliert, erscheint neu – doch sie bleibt trotz allem das Alte.

 

Der Verstand kann niemals etwas über die Gegenwart oder Zukunft aussagen, da er immer in der Vergangenheit ist. Der Verstand existiert nicht in der Gegenwart. Was immer der Verstand behauptet, dass geschieht oder geschehen wird, ist in beiden Fällen nur das, was bereits geschehen ist. Und auch das, was bereits geschehen ist, sind nur Töne und nichts Tatsächliches. Darum sind alle Formen des Bekannten, die lediglich die Vergangenheit sind, nichts als Töne. Die Vergangenheit ist tot und somit auch das Bekannte. Kann das Tote spirituell sein? Ist es für die Vergangenheit (dem Bekannten) möglich, jemanden im zeitlosen Jetzt spirituell werden zu lassen? Natürlich ist dies nur eine Illusion, da der Mensch davon überzeugt wird, dass der Verstand in der Gegenwart präsent sei – was aber nicht der Fall ist.

 

Das Bekannte (sei es spirituell oder etwas anderes) verändert die Eigenschaften des Menschen niemals. Das Bekannte lässt nur die Anzahl der Worte im Verstand anwachsen. Der Mensch bleibt derselbe. Wut, Zweifel, Eifersucht, Hass, Angst, Hoffnung und Zeit wirken im Verstand weiter. Ein Verständnis das Wissen als eine Illusion entlarvt, ist Weisheit.

 

Worte sind grobstoffliche Töne im Leben und subtile Töne im Verstand. Worte sind sowohl im Leben als auch im Verstand abwesend – und darum ist das Bekannte eine Illusion und nicht die Wirklichkeit. Dem Menschen muss erst noch das Verständnis geschehen, dass jedes Wort (in welcher Sprache auch immer), das gut oder böse, richtig oder falsch, sündig oder tugendhaft usw. anzeigt, nicht existiert. Dualität an sich ist eine Illusion. Ton schafft die Illusion von Worten und Bedeutungen, um ein Schauspiel im Verstand aufzuführen! – Und dieses Schauspiel ist manchmal sogar spirituell!

 

Im Leben kann es also niemals eine Form des Bekannten geben, die wirklich spirituell ist. Alles, was als „spirituell˝ bekannt ist, ist nichts als eine Illusion. Auch göttliche oder spirituelle Namen sind nur Töne. Wenn Ton etwas Spirituelles wäre, dann sollte jeder Name spirituell sein. Dieses Verständnis ist die Verwirklichung eines Erleuchteten, da alle Töne von einer spirituellen Quelle stammen – der Seele!

 

 

Handlungen

 

Was ist eine Handlung? Gibt es im Leben eine tatsächliche Handlung? Und was könnte eine spirituelle Handlung sein? Eine Handlung ist ein Phänomen von Ursache und Wirkung. Dabei wird angenommen, dass jede Handlung eine Ursache und eine Wirkung habe. Damit aber das Phänomen von Ursache und Wirkung wirksam sein könnte, müsste zwischen beiden ein Zeitintervall bestehen – das Leben ist aber ein zeitloses Phänomen. Es gibt keine Zeit im Leben: das Leben ist eine spontane Energieumwandlung – von einer Form in die andere. Wenn es keine Zeit gibt, wie könnte es eine Ursache oder eine Wirkung geben? Die Ursache einer Ursache ist eine Wirkung. Die Wirkung einer Wirkung ist eine Ursache. Da es aber weder eine Ursache noch eine Wirkung gibt, kann es auch niemals eine Handlung als eine Wirklichkeit im Leben geben. Eine Handlung ist nichts als ein Gedanke im Verstand – und der Verstand ist nichts anderes als Ton.

 

Das Leben ist schneller als der Verstand. Das Leben ist ein spontanes Geschehen. Das bedeutet, dass im zeitlosen Jetzt nichts wahrgenommen werden kann, da alles, was im Leben geschieht, eine kontinuierliche Umwandlung von Energie ist. Diese Umwandlung erscheint als die verschiedenen Formen, die sich ständig bewegen – eine Bewegung, die keinen Anfang und kein Ende hat. Diese einzige Bewegung ist Licht. Genauso wie das Bekannte verändern auch Handlungen (seien sie nun spirituell oder nicht) die Eigenschaften des Menschen nicht. Der Mensch bleibt stets derselbe.

 

In dieser Bewegung von Licht und Ton erscheinen die Phänomene von Geburt und Tod. Geburt und Tod sind nichts als Erscheinungen transformierender Energie an bestimmten Punkten innerhalb des Fließens von Licht. Der Verstand ist eine Illusion – und eine Handlung ist ebenfalls eine Illusion. Im Leben ist es unmöglich, eine komplette Handlung oder eine vollständige Aktion zu sehen. Deshalb ist weder der Mensch noch Gott der Handelnde, der Sprechende oder der Denkende!

 

Was könnten die unterschiedlichen Handlungen, die von Spiritualisten gepredigt, praktiziert und ausgeführt werden, aber dann sein? Was könnten spirituelle Zeremonien sein? Während der Zeremonien bewegen sich Körper allein auf Grund der transformierenden Energie – einer Bewegung von Licht, wobei Energie nichts anderes als Licht ist. Spiritualisten wissen nicht, dass sich ihre Körper nur bewegen, während ihre jeweiligen Verstände glauben, dass spirituelle Handlungen durch sie selbst oder durch andere ausgeführt würden! Im Leben gibt es keine Handlung – und darum kann es in Wirklichkeit auch keine spirituelle Handlung geben. Wenn es im Leben keine Handlung gibt, wie könnte es irgendeine Erfahrung, Übung oder Zeremonie geben, die real ist?

 

Ein Weiser versteht, dass eine Handlung eine optische Täuschung ist. Ein Weiser weiß, wenn jemand behauptet, er oder andere würden etwas Spirituelles tun, dass sowohl dieser als auch all die anderen nichts Spirituelles tun: einzig und allein ihre Körper bewegen sich – und die Vorstellung, dass diese Bewegung etwas Spirituelles sei, geschieht ihnen einfach. Die größtmögliche aller Illusionen über Handlungen ist die der Sexualität. Selbst eine Handlung, die ihrer Natur nach sexuell ist, bleibt eine Illusion. Spirituelle Personen und auch alle anderen, welche die Sexualität verurteilen, haben lediglich die Illusion eines Aktes, einer Tat oder Handlung nicht verstanden. Wenn man irgendetwas verurteilt, dann verurteilt man Gott. Ein Weiser versteht, dass das Leben eine einzige Bewegung ist. Es gibt kein Kommen und Gehen. Allein Bewegung ist.

 

Alle spirituellen Erfahrungen sind ebenfalls nur Gedanken im Verstand – Gedanken, die Töne sind. Alle spirituellen Handlungen, solche wie Meditation, Energie-Übertragung, Erleuchtung geben, Rituale und die verschiedensten spirituellen Techniken, existieren in Wirklichkeit nicht. Sie sind nur Gedanken im Verstand jener, die daran beteiligt sind. Jeder, der behauptet eine spirituelle Erfahrung gemacht zu haben, hat lediglich einen spirituellen Traum gehabt! Das Leben ist sehr intelligent: es lässt die Täuschungen real erscheinen. Jeder Moment beinhaltet beides: das Reale und die Illusion. Ist das Bekannte im Fokus, scheint die Illusion real. Ist die Aufmerksamkeit auf den Ton und die Bewegungen der Form gerichtet, ist die Illusion verstanden und das Unbekannte offenbart sich selbst! Dieses Unbekannte ist das Leben. Dieses gedankenfreie Leben ist spirituell – dieses gedankenfreie Leben ist Erleuchtung. Versteht der Mensch, dass jede Form des Bekannten eine Illusion ist, so ist er kein Mensch mehr. Er wird ein Mystiker, ein Erleuchteter – dann ist er ein lebendiges Wesen und kein denkender Mensch mehr!

 

Das Leben ist sehr intelligent. Man muss sich nur umsehen, um zu erkennen, wie intelligent es ist. Alle Formen, Gestalten, Farben, Informationen usw., wie verschieden sie auch sein mögen, sind eine Funktion von Licht: die manifestierte Welt ist eine optische Täuschung. Daher ist die Illusion sehr intelligent. Spiritualität mag überzeugend echt erscheinen, dennoch ist sie eine Illusion, da nichts in dieser Welt als eine Realität gekannt werden kann – noch gibt es Zeit für eine Handlung, um als eine Wirklichkeit im Leben zu existieren.

 

Das besondere Merkmal von Spiritualität ist Erleuchtung – und Erleuchtung ist ein gedankenfreier Zustand. Kein spiritueller Gedanke, wie anziehend er auch klingen oder erscheinen mag, kann einen gedankenfreien Zustand hervorrufen. Der Mensch wird weiter im Verstand umherirren und darauf hoffen, eines Tages gedankenfrei, erleuchtet, zu werden. Dieser Tag wird niemals kommen. Die Folge von Denken ist nichts als das Altern und schließlich der so genannte Tod.

 

Es gibt keinen Grund spirituell zu werden, da der Mensch bereits in einem gedankenfreien Zustand eingebettet ist. Es gibt im zeitlosen Jetzt keinen Gedanken. Das Leben ist ein gedankenfreier Zustand – und deshalb ist alles im Leben spirituell. Es ist weise zu verstehen, dass Spiritualität nicht etwas ist, das man wissen oder tun könnte bzw. tun sollte! Dergleichen Gedanken werden im Verstand allein durch das Leben und nicht durch den Menschen manifestiert, damit im Menschen das Verständnis wachsen kann, dass zu wissen, zu tun oder tun zu wollen, eine Illusion ist.

 

Das Leben hilft dem Menschen in vielfältiger Weise, den illusionären Wachzustand zu verstehen; das Konzept von Spiritualität ist eine davon.

 

Die Erleuchteten haben stets erklärt, dass die Welt eine Illusion sei. Die Welt, die der Mensch kennt, existiert nur im Wachzustand, womit alles, was im Wachzustand in Erscheinung tritt, eine Illusion sein muss – die Wissenschaft mit einbezogen! Jede Form von Spiritualität ist innerhalb des Wachzustandes und muss daher eine Illusion sein, die darauf wartet, verstanden zu werden. Jene, welche in die verschiedensten Aktivitäten von Spiritualität verwickelt sind (so genannte Avartare, Gurus, Lehrer, Schüler und Anhänger), bewirken diese nicht selbst. Sie denken, sie würden es tun, wohingegen sich ihre Körper nichts als bewegen. Sogar die Vorstellung, dass sie etwas Spirituelles tun, geschieht ihnen und sie wissen es nicht, da ihnen das Verständnis über die Illusion von Handlungen noch fehlt. Das Bekannte ist in ihrem Fokus und ein Verstehen ist noch nicht eingetreten. Das Ego ist aktiv – und Erleuchtung ruhend.

 

Der Mensch kann nur das Bekannte kennen. Das Bekannte ist eine Illusion. Der Erleuchtete lebt das Unbekannte. Das Unbekannte ist pures Leben ohne das Bekannte in ihm. Dieses Leben ist für alle das gleiche. Jede Erscheinung im Leben ist spirituell, während im Verstand nur etwas Bekanntes spirituell ist – und dieses Etwas ist eine Illusion. Ein wirklich spiritueller Mensch ist jener, der erkennt, dass es weder eine Handlung im Leben noch ein Wort im Verstand oder im Leben gibt.

 

Das Leben ist nichts als ein Phänomen von Licht und Ton. Dieses Verständnis ist Spiritualität!

 

© Copyright V S Shankar 2006

 

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