Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
The Netherlands

27 August 2016

Tun, tat, getan

„Bin ich der Handelnde?"


Der Mensch glaubt, dass er ein Handelnder sei und tun könne, wozu er fähig ist. Das klingt logisch und lässt sich nicht leugnen. Der Mensch glaubt auch, dass er etwas tat und getan hat.

Wenn der Mensch tun könnte, was er will oder möchte, könnte er sehr wohl jeden Moment seines Lebens tun, was er will oder möchte. Aber er kann nicht jedes Mal tun, was er sich wünscht oder was er tun möchte, und das ist es, was der Mensch im täglichen Leben erlebt.

Das bedeutet also, dass der Mensch nur manchmal etwas tun kann. Der Mensch glaubt außerdem, dass er es im Moment getan hat, was wiederum bedeutet, dass er es nur manchmal tat und getan hat.

Damit der Mensch in der Lage ist, eine Handlung im Moment zu tun, müssen der Moment und der Mensch zusammen sein. Der Moment jedoch existierte mit der Materie, der Vegetation und dem Tierreich und ihren Handlungen lange bevor der Mensch im Moment existierte.

Der Mensch erschafft also nicht einen Moment, um eine Handlung ausführen zu können. Der Mensch ist nicht der Handelnde, so wie die Vegetation und das Tierreich nicht die Handelnden sind. Das Leben manifestiert den Menschen und seine Handlungen, wenngleich illusionär, im Moment zusammen mit der Vegetation, dem Tierreich und ihren Handlungen, wenngleich illusionär.

Was bedeutet nun, dass Handlungen illusionär sind? Erstens glaubt man, dass es keine Illusion gäbe, und dieser Glaube bezieht sich auf den Trick eines Zauberers, der nur den Sehsinn täuscht, weil der Trick von den anderen Sinnen nicht wahrgenommen wird. Illusion bedeutet, dass es sie gibt und dass sie von allen Sinnen des menschlichen Körpers wahrgenommen wird.

Zweitens ist der Verstand der Meinung, dass auf einen Moment der nächste Moment folgt. Ein Moment geschieht jedoch so schnell, dass die Zeitdauer innerhalb eines Moments noch nicht bestimmt wurde.

Deshalb ist in einem Moment nur ein Teil einer Bewegung vorhanden, der die gesamte Bewegung für den Moment darstellt. Das bedeutet, dass in jedem Moment des Lebens nur ein Teil einer Bewegung im Moment vorhanden ist und nicht eine ganze Handlung. Dies ist vergleichbar mit einem Einzelbild auf einer Filmrolle. Ein Einzelbild eines Films enthält nur einen Teil einer Bewegung und nicht eine vollständige Handlung.

Auch der Verstand enthält in jedem Moment einen Teil einer Bewegung, die ein Gedanke oder ein Bild ist, und nicht eine vollständige Handlung. Wenn der Film abläuft und Licht durch die Bilder projiziert wird, sieht der Betrachter eine vollständige Handlung. In ähnlicher Weise projiziert das Licht, das im Gehirn vorhanden ist, durch die Gedanken eine vollständige Handlung, die vom Individuum gesehen wird, wenn der Verstand abläuft.

Daher haben eine Handlung, tun, tat und getan eine illusionäre Vollständigkeit, die als eine vollständige Handlung gedacht wird. Das ist es, was eine illusionäre Handlung bedeutet. Das Leben manifestiert auch einen illusionären Glauben im Moment, dass der Mensch der Handelnde sei, während er es nicht ist und auch nicht sein kann. Der Glaube ist illusionär, weil in einem Moment nur ein Teil eines Glaubens vorhanden ist und nicht der gesamte, vollständige Glaube.

Wenn der Mensch also tief über die Frage „Bin ich der Handelnde?" nachdenkt, würde ein erleuchtetes Verständnis entstehen, dass er nicht nur kein Handelnder ist, sondern auch, dass eine Handlung illusionär ist und das Leben eine einzelne Bewegung ist. 

Autor: Dr. Vijai S. Shankar
© Copyright V. S. Shankar 2016

Anmerkung des Herausgebers:
Dass der Mensch ein Drittel seines Lebens tatsächlich mit Schlafen verbringt, ist die gängige Erkenntnis. Was er in den verbleibenden zwei Dritteln seines Lebens tut, umfasst zahllose Handlungen, bei denen der Mensch keinen Zweifel daran hat, dass er sie getan oder nicht getan hat, sich wünschte, sie getan oder nicht getan zu haben, oder dafür geehrt oder getadelt wird, dass er sie getan hat. Unbezahlbar ist das Verständnis des Erleuchteten, das dem Menschen in diesem Artikel geschenkt wird, dass er nicht tut, nicht tat und nicht getan hat — niemals in seinem Leben.
Julian Capper, Großbritannien.

Anmerkung des deutschen Übersetzers:
Der Mensch glaubt, dass seine Sicht der Ereignisse im Leben vollständig sei. Eine Handlung wird gedacht, und der Mensch glaubt, die Handlung sei eine vollständige Realität im Leben. Diese Handlungen sind jedoch nur Etiketten im Verstand, denn im Leben gibt es nur eine einzelne vollständige Bewegung und nicht viele einzelne Handlungen. Wer dies zu Ende denkt, erkennt, dass eine wahrhaft ganzheitliche Sicht des Lebens, so wie es ist, niemals möglich ist, denn die vollständige, einzelne Bewegung des Lebens liegt jenseits des Fassungsvermögens des Verstandes. Der Mensch ist verloren in seinem Glauben, dass Handlungen real seien. Die Erleuchteten erklären, warum dies so ist und nicht anders sein kann, solange der Mensch Handlungen als etwas Unabhängiges im Leben betrachtet, das das Leben, wie es ist, repräsentiert. Dass diese Vorstellung illusionär ist, ist ein vollständiges Verständnis aller Handlungen im Leben, wie dieser weise Artikel im Detail erklärt.
Marcus Stegmaier, Deutschland.

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