Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.
Published on www.academy-advaita.com
The Netherlands
5th December 2015

Was das Leben ist

„Licht und Ton“

Die Bedeutung des Lebens wurde vom Menschen noch nicht gefunden, weder von den Philosophen, noch von den Gelehrten, den Religiösen und den Atheisten. Die Erleuchteten haben allerdings verkündet, dass das Leben ein Spiel aus Licht und Ton und illusionär ist. Die Verkündung ist schwer zu verstehen, weil Licht und Ton im täglichen Leben für den Menschen real und nicht illusionär sind. Die Bilder von Subjekten und Objekten, die man im täglichen Leben sieht und wahrnimmt, und die wahrgenommenen Gedanken sind für den Menschen real und nicht illusionär.

Wie kann nun der Mensch verstehen, dass das Leben illusionär ist? Die einzige Möglichkeit ist, zu untersuchen und abzuschätzen, um das Subjekt und das Objekt, das man im täglichen Leben sieht, worüber man spricht und woran man denkt, zu verstehen. Dieses Verständnis kann später auf Pflanzen und Tiere übertragen werden.

Sehen: Was man außen sieht, ist in Wirklichkeit eine Bezeichnung eines Bildes von einem Subjekt oder Objekt. Allerdings ist jedes Atom des außen gesehenen Subjekts oder Objekts Licht. Die Funktion des Auges ist es, Lichtwellen von Außen zu empfangen. Die Lichtwellen erreichen das Gehirn, dessen Atome allesamt ebenfalls Licht sind.

Dasselbe Phänomen widerfuhr auch dem primitiven Menschen. Lichtwellen, die in das Auge des primitiven Menschen von Außen eindrangen, waren anfangs Lichtstrahlen, die sich schließlich zu Farben und später zu illusionären Bildern im Verstand entwickelten. Diese Bilder entwickelten sich zu visueller, illusionärer Erinnerung.

Später entwickelte sich Licht in den illusionären, farbigen Bildern zu Tönen im Verstand. Töne entwickelten sich wiederum weiter zu illusionären Buchstaben und dann zu illusionären Worten. Illusionäre, visuelle Erinnerung entwickelte sich schließlich zu Erinnerung von illusionärem Wissen.   Das Leben entwickelte die Bewegung der illusionären Worte so, dass sie die illusionären Bilder aus Licht präzise überlagern. Schon bald entwickelte sich das Ego dazu, an die Wahrhaftigkeit oder Realität der illusionäre Lichtbilder überlagernden Worte im Verstand zu glauben.

Als das Leben das Ego weiter entwickelte, glaubte das Ego, dass die illusionären Bilder aus Licht als Realität oder Wirklichkeit im Außen existieren. Was jedoch im Außen existierte, war nur Licht und keine Bilder aus Farbe, von Realität oder Wirklichkeit. Daher ist das, was man außen als eine Realität oder Wirklichkeit sieht, vorgestellte Bilder von farbigen Lichtern mit diese überlagernden, illusionären Worten, die illusionäre Bezeichnungen sind, von denen der Mensch glaubt, dass er sie als Realität oder Wirklichkeit sieht. Das impliziert, dass das, was man außen sieht, illusionär ist, während man es für real oder wirklich hält.

Dieses oben geschilderte Phänomen wird offensichtlich, wenn man ein neugeborenes Kind betrachtet. Das neugeborene Kind fühlt sich zunächst zu Farben (visuelle Erinnerung als Bilder) hingezogen und später zu Tönen. Wenn die Entwicklung voranschreitet, antwortet das Kind auf einzelne Worte (Erinnerung als Wissen). Später identifiziert das Kind Bilder draußen auf falsche Art und Weise, was auf die Bewegung von Worten in der Erinnerung hinweist, zum Beispiel wird eine Katze als Hund identifiziert, doch für das Kind ist dies weder richtig noch falsch. Wenn die Bewegung von Worten aus der Erinnerung Bilder präzise überlagert, beginnt korrekte Identifikation, wodurch der Verstand des Kindes, durch wiederholtes Lob der Eltern, dass die Identifikation richtig ist, zu richtig und falsch konditioniert wird.

Sprache und Gedanke: Verschiedene Töne treffen auf das Trommelfell und nicht Worte. Diese Ton-Wellen reisen durch den Hörnerv als Licht-Signale zum Gehirn. Diese Ton-Wellen entwickeln sich zu illusionären Buchstaben und schließlich zu illusionären Worten. Wenn der Mensch spricht, stößt er Phoneme von Tönen aus, doch diese illusionären Töne werden als illusionäre Worte im Verstand gehört. Daher werden gesprochene Töne als illusionäre Worte gehört. Das heißt, dass gesprochene Worte nicht nur illusionäre Töne sind, sondern auch als illusionäre Worte gehört werden. Ebenso sind Gedanken eine illusionäre Transformation von illusionären, feinstofflichen Tönen. Ebenso sind Emotionen ebenfalls illusionäre Gedanken und keine Realität oder Wirklichkeit. Das impliziert ebenfalls, dass Sinneswahrnehmungen Gedanken und keine Realität oder Wirklichkeit sind. Die Gedanken einer Sinneswahrnehmung lassen eine Illusion von Realität oder Wirklichkeit aufgrund von illusionärer Dualität entstehen.

Der Mensch weiß nur durch Worte, dass eine reale Handlung, ein reales Wort oder ein realer Gedanke wirklich geschehen ist. Und zwar erst, nachdem es geschehen ist und niemals bevor es tatsächlich geschieht. Der Mensch weiß in Form von Gedanken, was er tun, sagen oder denken kann, doch er kennt durch Gedanken nicht den präzisen Moment oder die genaue Handlung, die er tun, oder das genaue Wort, das er sagen oder denken wird. Er erfährt davon erst mit Sicherheit durch Gedanken, nachdem die Handlung, das Wort oder der Gedanken geschieht. Das impliziert, dass der Mensch nicht der Handelnde, Sprechende oder Denkende ist, obwohl diese geschehen, wenngleich illusionär. Daher ist das Leben illusionär und das ist, was das Leben ist. Aus diesem Grund haben die Weisen verkündet, dass die Welt innen und nicht außen ist.

Autor: Dr. Vijai S. Shankar

© Copyright V. S. Shankar 2015

Anmerkung des Herausgebers:

Dieser Artikel bietet eine erleuchtete und sehr willkommene Einsicht in das Verständnis und die Wertschätzung des Lebens, welches jedes menschliche Wesen lebt. Die Bedeutsamkeit des evolutionären Prozesses zu verstehen, für den der Mensch überhaupt keine Verantwortung hat, ist ein großer Schritt, wenngleich erst der Anfang, in Richtung auf die Dekonditionierung des Verstandes. Die Beschreibung des Eintritts eines Kindes in den konditionierten Verstand ist großartig, wenn man bedenkt, dass die Aufgaben, die dem großen Herkules auferlegt wurden, eine davon war das Ausmisten des Augiasstalls, bis zur Bedeutungslosigkeit verblassen, verglichen mit dem, was Dr. Shankar unternimmt, wenn er den konditionierten Verstand ausmistet. Worte können nur unvollkommen die Dankbarkeit für eine derartige Erleuchtung zum Ausdruck bringen.
Julian Capper, Großbritannien.

Anmerkung des deutschen Übersetzers:

Ein Kind kommt dazu, zu wissen, was das Leben ist, das ist der Glaube aller Eltern. Und es ist wahr, der Verstand eines jeden menschlichen Wesens entwickelt sich dazu, Wissen über die Welt zu erlangen, was man für das Leben, so wie es ist, hält. Dieser Artikel, „Was das Leben ist“ von Dr. Vijai S. Shankar, offenbart allerdings die Verkündigung der Weisen, dass man das Leben lebt und es nicht das ist, was der Verstand denkt. Der Mensch glaubt, es wäre genug, Wissen über den eigenen Verstand zu haben, um das Leben zu kennen. Danke, Dr. Shankar, für das Teilen einer tieferen Einsicht und eines Verständnisses dessen, was das Leben ist: Man kann es nicht kennen, sondern nur leben.
Marcus Stegmaier, Deutschland

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