Dr. Vijai S Shankar MD.PhD.

India Herald

Texas, USA

14.11.2008

 

 

 

“Eine Bewegung des Körpers”

 

Im Westen ist Yoga bekannt und hat eine ansehnliche Popularität erlangt; er ist derzeit auch gut im Geschäft. Yoga ist in Indien entstanden und hat seine Beliebtheit niemals verloren. Niemand weiß, wann Yoga entstanden ist. Man glaubt, dass er von Weisen und nicht von gewöhnlichen Menschen erfunden worden sei, und daher umgibt seine Ausübung eine Aura von Spiritualität und man akzeptiert ihn als die Wahrheit. Yoga ist das Modewort der High Society; wer etwas auf sich hält, sollte Yoga praktizieren und so geschieht es auch.

 

Kann Yoga wirklich eine Erfindung der Weisen sein? Ein Weiser ist ein erleuchtetes Wesen, aber würde oder könnte ein erleuchtetes Wesen eine Erfindung oder die Urheberschaft einer Handlung für sich beanspruchen? Wie könnte er, denn ein erleuchtetes Wesen ist jemand, der realisiert hat, dass die Welt eine Illusion ist und daher würde er niemals behaupten, er hätte irgendetwas erfunden, ganz zu schweigen von Yoga. Ein Erleuchteter mag Yoga gemacht haben und es würde dem Betrachter so erscheinen, als ob er eine Praxis ausübe, dem erleuchteten Wesen jedoch wäre diese Sichtweise fremd. Er versteht, dass Yoga ihm als Teil einer einzigen Bewegung, die das Leben ist, geschieht und dass er ihn nicht selbst tut. Er geschieht auch dem normalen Menschen, aber dieser glaubt, dass er ihn ausübe. Er geschieht im Leben, damit der Mensch versteht, dass er ihm ohne sein Zutun geschieht.

 

Yoga, so glaubt man im Allgemeinen, schenkt dem Menschen Jugend, ein gesundes Leben und ebenso die Fähigkeit, den Verstand zu beruhigen. Er wird weltweit praktiziert und manche schwören darauf, wie effektiv er den menschlichen Verstand beruhige. Manche Spirituelle haben Yoga einen Schritt weiter gebracht, indem sie verkünden, er habe einen wohltuenden Effekt auf Depressionen und andere psychische Störungen, ebenso wie auf die Kontrolle des Blutdrucks und die Verlangsamung des Fortschreitens von Diabetes und anderer physischer Krankheiten. Yoga wird sogar als Alternative zu einer medikamentösen Therapie oder als Präventionsmaßnahme empfohlen. Natürlich würde jeder Mensch eine derartige Heilungsmethode begrüßen, nicht zuletzt, weil es nicht einen Cent kostet. Aber sind solche Behauptungen wahr? Wie könnten sie, wenn die Welt, wie die Weisen verkünden, eine Illusion ist? Yoga erscheint wie eine göttliche Heilmethode für die angeschlagene Gesundheit des Menschen.

 

Es gibt verschiedene Arten von Yoga und jede betont ihre speziellen wohltuenden Effekte auf den Körper und den Verstand. Manche Arten sind anstrengender und manche einfach, was aber ist nun Yoga und wie ist er entstanden? Er ist uralt, wie man ja weiß. Das genaue Datum ist nicht überliefert und das wäre auch unmöglich. Yoga ist älter als die Geburt der schriftlichen Überlieferung. Mündliche Kommunikation war ursprünglich eine Methode, um Wissen zu übermitteln und später, als Alphabete entstanden, wurden Sprachen geboren und das Niederschreiben von Wissen begann. Daher kann das genaue Datum der Evolution des Yoga nicht bestimmt werden.

 

In der prähistorischen Urzeit lebte der Mensch umgeben von dichter Vegetation und das war der Punkt der Verfeinerung des Lebens zu diesem Zeitpunkt. Da sich das Leben jeden Moment verfeinert, verlangte dieser Prozess, dass der menschliche Körper gelenkige Geh- und Laufbewegungen vollbrachte. Der Körper musste stark und gleichzeitig geschmeidig sein. Es war der Verfeinerungsprozess, der seine Bewegungen feiner und nicht gröber werden ließ.

 

So begann das Leben den menschlichen Körper zu dehnen und die Muskeln zu trainieren und es ließ die Bänder flexibler werden. Diese Bewegungen des Körpers wurden im Verstand als Yoga bezeichnet: Als Teil des Verfeinerungsprozesses transformierte das Leben die Körperbewegungen des Menschen. Yoga ist eine urzeitliche Form des Trainings, was dazu diente den menschlichen Körper in einem Zustand zu erhalten, der den Erfordernissen seiner Zeit gemäß war. Der urzeitliche Mensch brauchte einen gelenkigen Körper, um zu überleben; er musste wilden Tieren entkommen, um ihnen nicht zur Beute zu fallen. Er musste auch schnell laufen, um seine Beute zu fangen. So war Yoga damals also mehr eine Notwendigkeit. Heutzutage ist es unter Models und Prominenten zur Mode geworden und eine Show für die wohlhabende Gesellschaft.

 

Das Leben ist eine einzige Bewegung aus Licht; das war schon immer so und wird auch für immer so bleiben. Diese Bewegung hat keinen Anfang und kein Ende. Der Mensch konnte also niemals Yoga praktizieren und tut es auch heute nicht. Yoga geschah ihm, früher ebenso wie heute. Jede Handlung ist eine Etikettierung im Verstand; eine Etikettierung ist ein Wort und nicht etwas Tatsächliches im Leben. Zeit gibt es im Leben nicht, und daher ist eine Handlung im Leben nicht möglich. Selbst ein Wort existiert nicht im Leben noch im Verstand, ganz zu schweigen von Yoga. Im Leben ist ein Wort ein hörbarer Ton und im Verstand ist ein Gedanke ein subtiler Ton - ebenso wie „Yoga”.

 

Yoga war und ist eine Urform der Bewegung, die sich durchgesetzt hat. Die heutigen Formen des Trainings, wie verschiedene Arten von Aerobic und Gymnastik, sind nichts anderes als eine Verfeinerung des Yoga. Diese Übungen umgibt nicht die Aura des Spirituellen, denn der Mensch glaubt, dass die aktuellen Trainingsmethoden von Menschen entwickelt wurden und nicht von Weisen. Das kann nicht stimmen, denn der Mensch ist nicht der Handelnde, er war es niemals und wird es auch niemals sein. Wie auch immer, Yoga ist eine Bewegung des Lebens und nicht eine Handlung, die der Mensch ausführt. Daher sind die aktuellen Trainingsmethoden eine verfeinerte Bewegung des Lebens und nicht Handlungen, die vom Menschen ausgeführt werden.

 

Der Mensch ist nicht der Handelnde und dieses Verstehen ist der Grundstein der Selbstrealisation oder Erleuchtung. Wenn der Mensch tatsächlich nicht der Handelnde war, wie konnte er dann Yoga praktizieren? Wäre Yoga real, dann könnte die Welt keine Illusion sein, und das würde nicht nur beweisen, dass sich die Erleuchteten geirrt hätten, sondern auch, dass der Verstand und der Mensch real wären. Dann könnte das Leben nicht zeitlos und gedankenlos sein. Aber die Wissenschaft hat bewiesen, dass alles im Leben in einer zeitlosen Zone geschieht, und somit hat sich die Verkündigung der erleuchteten Wesen, dass der Mensch nicht der Handelndes sei, als richtig erwiesen.

 

Die alten Schriften, erleuchtete Wesen und ihre Botschaften predigen alle, dass das Ego eine Täuschung ist und nicht real existiert, sondern nur eine illusionäre Manifestation von Tönen ist, und dass es das Ego ist, das Begierden und Wünsche hat oder etwas tun möchte, einschließlich Yoga. Wenn das Ego eine Täuschung ist, wäre dann nicht alles eine Täuschung, was das Ego denkt, was es tut, getan hat oder zu tun wünscht? Das muss so sein, sonst würde es die alten Schriften und die Aussagen der erleuchteten Wesen widerlegen. In dem Moment, wenn das Ego denkt, dass es eine Handlung vollzogen habe, wird es gestärkt, und umso mehr, wenn es eine spirituelle Handlung ist wie Yoga. Die grundlegende Botschaft in jedem Bereich der Spiritualität ist, dass Erleuchtung nur erreicht wird, „wenn das Ego stirbt”. Obwohl der Mensch möchte, dass durch Yoga sein Ego stirbt, wird dies nicht geschehen: Yoga erhält das Ego am Leben. Das Ego stirbt, sozusagen in dem Moment, wenn der Mensch versteht und realisiert, dass das Ego nicht der Handelnde ist. Es ist eine Ironie, dass der Mensch den Tod seines Egos fürchtet, während er sich gleichzeitig danach sehnt.

 

Der Mensch respektiert die alten Schriften und die erleuchteten Wesen, aber er hat ihre tiefe Botschaft nicht vollkommen verstanden. Das Leben hat für diese Offenbarung Schriften bestimmt, die aktuell erscheinen und die Botschaft von der illusionären Natur des Egos erklären. Es geschah immer zu bestimmten Zeiten, dass bestimmte Schriften entstanden, und so wird es auch weiterhin geschehen. Sie geschehen dem Menschen, er hat sie nicht geschrieben. Schreiben geschah dem Menschen ebenfalls, damit die Illusion ihm real erscheine, obwohl sie es nicht ist.

 

Yoga ist nicht eine Handlung und daher kann er nicht spirituell oder weltlich sein. Er kann mit Sicherheit keinen Effekt auf den Verstand haben, denn der Verstand ist ebenso illusorisch wie der Körper. Yoga beschleunigt Erleuchtung nicht und wird auch nicht gebraucht, um sie zu erlangen. Der Verstand ist eine illusorische Manifestation von Tönen, während der Körper eine illusorische Manifestation von Licht ist. Wenn die Welt, wie die erleuchteten Wesen behaupten, eine Illusion ist, dann wird in einer illusorischen Welt auch Yoga eine Illusion sein.

 

Jeglicher Nutzen ist nicht absolut und kann es in einer relativen Welt auch nicht sein. Die wohltuenden Effekte von Yoga, an die der Mensch glaubt, ganz gleich wie illusorisch sie auch sein mögen, können nicht dem Yoga allein zugeschrieben werden, denn er ist nicht eine unabhängige und von anderen getrennte Handlung, welche ebenfalls nicht unabhängig bestehen. Yoga ist ein Zustand einer einzigen Bewegung, die im Verstand als Yoga bekannt ist. Alle wohltuenden Effekte des Yoga sind ein Zustand derjenigen Energie, die der Körper aufgrund des Verfeinerungsprozesses geworden ist, und nicht das Ergebnis des Yogapraktizierens. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass der wohltuende Effekt von Yoga vom Yoga kommt. Viele praktizieren Yoga, aber müssen noch verstehen, dass Zeit benötigt würde, um praktizieren zu können, selbst wenn man es nur ein einziges Mal täte. Praxis weckt nur den Wunsch nach weiterer Praxis. Yoga geschieht, damit der Mensch verstehen möge, dass Yoga als Teil einer einzigen Bewegung geschieht.

 

Das Leben ist eine einzige Bewegung, denn das Leben ist Eins und nicht Zwei. Wenn das Leben Zwei wäre, dann wären zwei Bewegungen möglich, jedes Leben würde seine eigene Bewegung vollziehen. Da der Körper angeblich viele Bewegungen macht, fragt sich der Mensch, wie viele Leben in einem Moment benötigt würden, um sie auszuführen. Und könnte der Mensch jemals wissen, welches Leben verantwortlich ist für eine bestimmte Bewegung? Das ist schwer vorstellbar. Da Gott benötigt wird, um das Leben zu erhalten, würde das bedeuten, dass für jede Handlung ein eigener Gott benötigt würde.

 

Dadurch würde das Leben unmöglich, denn Angst würde den Menschen, noch mehr als heute, gefangen halten, weil er zu allen Göttern um die Sicherheit seines Lebens beten müsste. Wäre es ihm möglich zu all diesen Göttern zu beten? Nein, denn er betet nur zu den Göttern, an die er glaubt. Es würde auch eine beträchtliche Zeit benötigt, um zu all diesen Göttern zu beten, nur um den Körper zu bewegen und, wie es tatsächlich der Fall ist, hat der Mensch das Gefühl keine Zeit zu haben. Hätten die Götter nicht einen Konflikt miteinander, wer für die erste Bewegung des Körpers verantwortlich sein dürfte? Könnten Götter eine solche Entscheidung treffen? Wenn Götter entscheiden müssten, wären sie dann Götter? Sicher nicht, denn das würde Gott zu einem Menschen und nicht zu Gott machen. Das Leben ist von Natur aus Eins und es gibt nur einen Gott. Es ist besser so und selbst mit diesem funktionierenden Modell des Lebens findet der Mensch es schwer, mit der Dualität des Lebens umzugehen.

 

Yoga wird verehrt und wird in einer Form in den Schriften erwähnt. Yoga muss offensichtlich lange bevor die Schriften, in denen er erwähnt wird, geschrieben wurden existiert haben. Vielleicht war Yoga der Grund, dass die Weisen in der Schrift namens „Ishavasya Upanishad“ folgendes erwähnten: „Die Quelle des Lebens ist ganz und vollständig; die Welt ist ganz und vollständig und alles in ihr ist ganz und vollständig. Wird ein Teil weggenommen, bleibt er ebenfalls ganz und vollständig”. Das bedeutet es, wenn man sagt, „dass das Leben Eins ist“, oder wenn man von der „Einheit des Lebens“ spricht. Verstehe also, dass jeder Punkt einer Handlung oder von Yoga ganz und vollständig ist, was bedeutet, dass jeder Punkt eine Handlung oder Yoga ist, und dass daher jeder Punkt in der Welt eine Handlung oder Yoga ist. Der gesamte Körper muss beteiligt sein bei jeder Handlung oder beim Yoga, d.h. die Haut, die Muskeln, die inneren Organe und die Knochen.

 

Daher müssen ungefähr 700 Muskeln synchron arbeiten, was auch der Fall ist, denn jeder Muskel des Körpers muss ins Spiel kommen bei jeder Handlung oder im Yoga, denn das Leben muss ein einziger Fluss sein, um im Ganzen oder in Teilen den Status von Vollständigkeit zu behalten. Das bedeutet, das Gehirn muss 700 Botschaften an die Muskeln, Botschaften an die Haut, an jedes innere Organ und an ungefähr 206 Knochen senden, um irgendeine Arbeit auszuführen oder um Yoga zu praktizieren. Diese Botschaften müssen vom Verstand dem Gehirn mitgeteilt werden, und der Verstand kann jeweils immer nur eine Botschaft nach der anderen senden. Die benötigte Zeit würde von der Länge und der Komplexität der Botschaft abhängen. Könnte die Zeit, die benötigt würde, um alle Botschaften zu übermitteln, die gebraucht werden, um eine einzige Handlung zu vollbringen oder Yoga zu praktizieren, vom Menschen berechnet werden?

 

Noch wichtiger ist die Frage, ob Yoga oder irgendeine Handlung jemals als eine Handlung geschehen könnte, wenn solche Bedingungen herrschten? Wäre die Welt jemals fähig zu funktionieren? Deshalb kann Yoga und jede andere Handlung keine Handlung sein, sondern lediglich ein Fluss von Energie, der eine optische Illusion und eine auditive Illusion einer Handlung reflektiert. Jeder Mensch, der Yogalehrer und ebenso der Yogaübende, sollte darüber nachdenken und die Intelligenz des Lebens bewundern, die daran beteiligt ist, das Leben in jedem Moment zu erhalten. Gott manifestiert das Leben dergestalt, dass auf wundersame Weise Yoga und jede andere Handlung lediglich als Teil einer einzigen Bewegung geschieht und lässt den Menschen zur selben Zeit denken, dass Yoga eine Handlung ist und dass er Yoga oder eine andere Handlung in der Vergangenheit praktiziert hat, in der Gegenwart praktiziert und in der Zukunft weiterhin praktizieren wird.

 

Auch Atemübungen werden dem Yoga zugeordnet. Die Ergebnisse dieser Atemübungen, wie tiefes Ein- und Ausatmen, können nicht absolut sein, denn der Mensch, der solche Übungen macht, muss ebenso wie jeder andere sterben. Vielleicht stirbt sogar der, der diese Übungen praktiziert, früher als der, der sie nicht praktiziert. Atmen geschieht dem Menschen und es ist nicht der Mensch, der das Atmen geschehen lässt. Wenn das so wäre, würde er immer weiteratmen und niemals sterben. Seinen Tod hat niemand in der Hand, ebenso wenig wie seine Geburt. Yoga geschieht demjenigen, dem es bestimmt ist, dass es ihm geschieht. Es geschieht, damit der Mensch versteht, dass, wenn eine bestimmte Handlung Yoga ist, jede Handlung Yoga ist.

 

Der Verstand kann niemals den Körper kennen, der im Jetzt ist. Der Verstand kann nur den Körper kennen, der schon vergangen ist, und zwar in Form eines Gedankens; daher kann er unmöglich den Körper steuern, um Yoga zu praktizieren. Das Leben ist sehr intelligent, denn es erschafft eine Illusion, dass der Verstand die Kontrolle habe und Yoga im Leben praktizieren könne. Yoga ist ein Gedanke im Verstand, wie alles andere in dieser illusionären Welt.

 

 

© Copyright V.S. Shankar 2008

 

 

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