Langeweile und Stress in Kindheit und Elternschaft

Marcus Stegmaier, Deutschland.
14.6.2021

Langeweile und Stress in Kindheit und Elternschaft

Die Macht der Illusion und der Evolution

 

Langeweile und Stress sind komplementäre Empfindungen, die dem Menschen geschehen, solange er das Leben und den Verstand nicht verstanden hat. Der Mensch hält die Gedanken im Verstand für das Leben, während sie es nicht sind. Obwohl die ersten Menschen, in denen sich die Illusion der Realität von Gedanken im Verstand evolutionär und spontan entwickelt hat, keine Eltern hatten, die ihnen dies beigebracht haben, verstärkt sich dieser evolutionäre Prozess durch das Vorbild konditionierter Eltern gegenüber ihren noch nicht konditionierten Kindern. So ist die Macht der Illusion!

Was ist die Macht der Illusion in Bezug auf die beiden Phänomene Langeweile und Stress? Dies zu verstehen, ist essenziell für moderne Eltern und deren Kinder. Langeweile ist ein gedachter Zustand der Inaktivität, in dem Gedanken sich mehr Aktivität wünschen. Es tauchen Gedanken auf, wie „Ach, mir ist langweilig, ich sollte etwas tun.“ Stress geschieht in einem gedachten Zustand der Aktivität oder Inaktivität, in dem Gedanken sich mehr oder noch mehr Aktivität wünschen: „Oh, ich sollte doch eigentlich auch noch Dies und Das erledigen.“ Doch wie kommt es zu diesen Gedanken im Verstand?

Das Mehr-Haben-Wollen des Egos erzeugt diese Gefühle, weil das Ego überzeugt ist, der Handelnde zu sein. Die Frage ist, ob dies real ist oder illusionär. Wenn das Ego der Handelnde wäre, würde es sich weder langweilen noch gestresst sein. Es würde einfach das genaue Maß an Aktivität erzeugen, um sich wohl zu fühlen und alles zu erledigen, was es erledigen möchte. Dass dies nicht immer geschieht, beweist, dass das Ego nicht über seine Aktivitäten bestimmen kann.

Wenn ein Kind sich langweilt, geben die Eltern ihm eine Beschäftigung. So lernt das Kind, dass man etwas tun müsse, um das unangenehme Gefühl der Langeweile loszuwerden. Konditionierte Eltern warten nicht einfach geduldig und dem Kind liebevoll zugewandt ab, bis sich die Stimmung des Kinder ändert. Wenn das Kind etwas tut und die Eltern glauben, das Tun sei nicht genug, um bestimmte Ziele zu erreichen, fordern sie mehr Einsatz vom Kind und so entsteht Stress. Eltern haben noch nicht die Einsicht gewonnen, dass Gefühle kommen und gehen, auch ohne dass man etwas tut. Sie verstehen dies weder bei sich selbst noch bei ihren Kindern. So sind sie selbst oft gelangweilt oder gestresst. 

Moderne Eltern verstehen auch nicht, dass Ziele nicht real sind und durch die Vorstellung, bestimmte Ziele erreichen zu müssen, Stress entsteht. Konditionierte Eltern vertrauen ihren Gedanken mehr als dem Leben, ohne zu erkennen, dass auch sie einfach einmal lebendig waren als Kinder und dann erst Gedanken in ihnen entstanden sind. Woher die Gedanken kamen und immer noch kommen, diese Frage stellt sich der Mensch nicht, denn Gedanken zu haben betrachtet er oder sie als vollkommen selbstverständlich. 

Wenn der Mensch versteht, dass niemals im Leben zu wenig geschieht, sondern sich das Leben präzise so bewegt, wie es bestimmt ist, erkennt der Mensch, dass er nicht der Handelnde ist und entspannt sich im namenlosen Hier und zeitlosen Jetzt. Eltern mit diesem Verständnis beobachten ihre eigenen angenehmen und unangenehmen Gefühle einfach, wie sie kommen und gehen. Denn sie verstehen, dass das, was kommt und geht, nicht real ist, sondern illusionär. Weisheit entwickelt sich in Eltern, wenn ihnen klar wird, dass alle Gedanken ihnen einfach geschehen und sie niemals ein wirkliches Problem darstellen. So machen sie auch bei ihren Kindern niemals ein Problem aus irgendwelchen Gefühlen und Gedanken, sondern sind ihren Kindern ein Vorbild im geduldigen Beobachten des Kommens und Gehens illusionärer Gedanken und Gefühle.

Eltern mit diesem Verständnis fordern darüberhinaus niemals etwas von sich und ihren Kindern, sondern beobachten geduldig, wie sich das Leben evolutionär als Eltern und Kinder in genau dem Tempo entwickelt, wie es bestimmt ist zu geschehen. So wie ein Gärtner nicht an seinen Setzlingen zieht und zerrt, um deren Wachstum zu beschleunigen, zerren und meckern verständige Eltern nicht an ihren Kindern herum, weil sie verstehen, dass dies nur Stress erzeugen würde, der sie selbst und ihre Kinder aus dem lebendigen gedankenfreien Hier und zeitlosen Jetzt ins illusionäre gedankenschwere Dort und ewig gestrige oder zukünftige Dann der Gedanken versetzt. 

Das Leben ist ein einzelnes, spontanes Fließen, das niemals mehr oder weniger sein könnte, in Gedanken aber so erscheint, was Gedanken und Gefühle der Langeweile und des Gestresst-Seins erzeugt. Das Leben ist in jedem Moment, wie es ist, und der Verstand macht den Moment nicht, sondern wird im Moment vom Leben manifestiert. Nichts wurde jemals im Leben getan, denn Handlungen sind Gedanken im Verstand und nichts Reales im Leben. Wo das Leben präsent ist, können Langeweile und Stress nicht sein, weil beides Zeit bräuchte, um zu existieren, und das Leben ist zeitlos. Es ist der illusionäre Gedanke an Zeit, Vergangenheit und Zukunft, der durch Vergleiche Langeweile und Stress real erscheinen lässt, obwohl sie es nicht sind. So ist die Macht der Illusion! 

So wie konditionierte Eltern die Konditionierung ihrer Kinder befeuern, weisen de-konditionierte Eltern, denen sich die Weisheit über das Leben und den Verstand offenbart hat, ihren Kindern durch gelassenes Beobachten den Weg in die Freiheit von Gedanken und Gefühlen. Die Evolution hat die Macht zu konditionierten und zu de-konditionieren und manifestiert sich auf diese Weise als Eltern und Kinder. So ist die Macht der Evolution! 

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