Marcus Stegmaier, M.A.

Veröffentlicht auf www.nevernothere.com

USA

28.06.2010

 

 

„Die non-duale Art der Kindererziehung“?


Der elterliche Verstand, wenn er nicht tief verstanden wird, reagiert normalerweise auf die Handlungen der Kinder, ihre sprachlichen Äußerungen und ihre Gedanken auf eine Weise, als wäre das Kind der Handelnde, Sprechende und Denkende. Dies ist der Grund für das Auftauchen der Illusion, dass der Mensch in der Lage wäre, Kinder zu erziehen. Und Eltern halten sich dafür verantwortlich, wie die Kinder aufwachsen.

 

Im Namen der Liebe werden Kinder entsprechend der Überzeugungen der Verstände von unglücklichen Eltern geformt, um sie zu disziplinieren, und dann sagt man ihnen „Sei glücklich!“ Sei zuerst selbst glücklich, dann wird deine „Erziehung“ mit größerer Wahrscheinlichkeit auch dein Kind glücklich machen!

 

Glücklich-Sein ist das Verständnis, dass Kinder die Kinder des Lebens sind und nicht des Menschen.

Glücklich-Sein ist Vertrauen ins Leben, das seine Kinder großzieht, so wie es ihnen bestimmt ist.

Glücklich-Sein ist das Verständnis, dass der Mensch nicht der Handelnde, Sprechende und Denkende ist, und dass dies auch für Kinder gilt.

Glücklich-Sein ist, das Leben so zu leben, wie es ist, und nicht so, wie es der Verstand sich vorstellt, was nur illusionäre Gedanken sind.

Glücklich-Sein ist, wenn man mit lebendigen kleinen Wesen im Leben lebt anstatt mit Gespenstern im elterlichen Verstand.

Glücklich-Sein ist das Verständnis, dass Verhalten nichts als ein Gedanke im elterlichen Verstand ist und nichts Wirkliches im Leben.

 

Nur ein klares Verständnis des eigenen Verstandes wird zu einem besseren Verständnis der Kinder führen! Doch gibt es nun eigentlich eine „non-duale Art der Kindererziehung“? Wie geht dieses Verständnis von Non-Dualität mit der Eltern/Kind-Beziehung um? Kann man einfach sagen „Es gibt kein Ich“ (und damit auch kein Kind)?

 

Nein, es gibt keine non-duale Art der Kindererziehung. Non-Dualität handelt nicht davon, wie man etwas tut, sondern ist das Verständnis, dass die Funktion des Verstandes illusionär ist und nicht real. Dieses Verständnis wird sich spontan, unkontrollierbar und nicht vorhersagbar in den Handlungen, Äußerungen und Gedanken des scheinbaren Individuums ausdrücken, so illusionär es auch sein mag.

 

Um also die oben gestellte Frage zu beantworten: Wer sollte denn dieser Elternteil sein, der sagt: „Es gibt kein Ich“? - Es wäre ein „Jemand“. Dies wäre ein oberflächliches Verständnis. Sei einfach gewahr, dass es das Ego ist, das behauptet, ein Niemand zu sein, dann wirst du deinem Kind wahrscheinlich nicht so einen Unsinn sagen! Wahres Verständnis, dass das „Ich (der Elternteil)“ illusionär und nicht real ist, bedeutet, dass das Kind ebenso illusionär und nicht real ist, und dass auch Worte illusionär und nicht real sind, weil sie nur Töne sind und nicht reale, im Leben existierende Worte mit realen Bedeutungen.

 

Wenn dies klar verstanden wurde, kommt die Frage nicht auf, wer ein Elternteil und wer ein Kind sein könnte. Dann gibt es nur das Beobachten von Tönen, die vom Leben im scheinbaren Körper des Elternteils und im scheinbaren Körper des Kindes erzeugt werden: Einheit in Form des Elternteils spricht zu Einheit in Form des Kindes. In der Einheit wird gesehen, dass die Trennung zwischen Eltern und ihren Kindern illusionär ist, ebenso wie jeder andere Gedanke auch.

 

Dann wird spontan, nicht vorhersagbar und unkontrollierbar das Leben als der Elternteil auf das Leben als das Kind antworten und dabei frei sein von den Überzeugungen des konditionierten Verstandes darüber, wie man Kinder zu erziehen habe, um sie „gut und glücklich“ zu machen.

 

Aber dennoch bleibt die Frage: Wie soll man Kinder erziehen, wenn man als Eltern ein noch unvollständiges Verständnis des Verstandes hat?

 

Man nimmt im Allgemeinen an, dass man seine Kinder lieben solle, um ihnen gute Eltern zu sein. Der Versuch, liebevoll zu sein, ist nicht falsch, selbst wenn der Mensch nicht der Handelnde ist! Sei nicht von der Botschaft verwirrt, dass es illusionär ist, den Menschen für den Handelnden zu halten! Verstehe die Botschaft: Illusionär bedeutet nicht, dass es nicht existiert, es existiert, doch nicht auf die Weise wie der Verstand glaubt, dass es existiert. Das ist alles! Wenn du also glaubst, der Handelnde zu sein, kannst du versuchen - wenn es dir geschieht - deine Kinder zu lieben, doch versuche es auf die richtige Weise, so illusionär es auch sein mag.

 

Was ist damit gemeint, zu versuchen auf die richtige Weise zu lieben? Es bedeutet: Versuche deine Kinder, wie auch jeden anderen, bedingungslos zu lieben! Selbst wenn dies nicht geschehen wird, nur weil du willst, dass es geschieht, wird dein aufrichtiger Versuch - wenn es geschieht - dich der falschen Überzeugungen deines Verstandes über Liebe bewusst machen und du wirst verstehen, dass die Liebe, die dein Verstand für Liebe hält, einfach nur illusionär und nicht real ist.

 

Der Verstand gründet auf Vergleichen, Verurteilen, Beschuldigen, Schuldgefühlen, Beharren, Forderungen und Erwartungen und ist daher nicht in der Lage, wirklich bedingungslos zu lieben. Dies ist die illusionäre Funktion des Verstandes und überhaupt nichts ist daran falsch. Aufrichtigkeit ist vonnöten! Die Absicht, wirklich herausfinden zu wollen, was reale Liebe ist, muss unerschütterlich sein. Wenn dir dies geschieht, kannst du dich zum Beispiel fragen:

 

Ist es Liebe, wenn Eltern ihre Kinder mit anderen Kindern vergleichen?

Ist es Liebe, wenn Eltern ihre Kinder anders haben wollen, als sie scheinbar sind?

Ist es Liebe, wenn Eltern ihre Kinder loben, in der Erwartung, dass sie das „richtige“ Verhalten erneut zeigen?

Ist es Liebe, wenn Eltern ihre Kinder tadeln, in der Erwartung, dass sie sich besser benehmen?

Ist es Liebe, wenn Eltern ihre Kinder für ihre Erfolge belohnen, in der Erwartung, dass sie sich dann weiter verbessern?

Ist es Liebe, wenn Eltern ihre Kinder bestrafen?

 

Eltern, seid immer mitfühlend mit euren Kindern UND mit euch selbst! Es ist von höchster Bedeutung, dass man immer die eigene Fähigkeit oder Unfähigkeit, das Kind wirklich zu lieben, akzeptiert. Wenn Schuldgefühle mitspielen, wird es sehr schwierig, die Reaktionen des Ego einfach nur zu beobachten. Beobachte auch die Selbstanklagen und habe Mitgefühl mit dir selbst, was auch immer geschieht!

 

Vergiss niemals, dass du nicht der Handelnde, Sprechende und Denkende bist und du nicht das Geringste gegen die Reaktionen des Verstandes auf seine konditionieren Überzeugungen über Kindererziehung tun kannst, die „dich“ reagieren lassen. Und dies sollte Beweis genug sein, dass die Eltern die Kindererziehung wirklich überhaupt nicht unter Kontrolle haben.

 

Eltern sollten glücklich sein, dass das Leben ihnen die Gelegenheit bietet, ihren eigenen Verstand durch ihre Kinder zu verstehen. Genieße jede Erfahrung mit deinen Kindern, so schmerzlich sie scheinbar ist, wenngleich illusionär. Verstehe, dass die scheinbaren Schwierigkeiten im Alltag mit deinen Kindern illusionäre Gedanken im Verstand sind und nicht im Leben existieren und betrachte sie als eine Gelegenheit, ins Leben hineinzuwachsen anstatt im Verstand stecken zu bleiben.

 

Verstehe, dass der Verstand und das Leben nicht synonym sind; der Verstand ist eine Verzögerung im Leben. Das Leben fließt kontinuierlich, spontan, unkontrollierbar und nicht vorhersagbar. Der Verstand entfaltet sich mit Unterbrechungen, spontan, unkontrollierbar und nicht vorhersagbar.

 

Wenn dies geschieht, wird Kindererziehung zum Tor zur Erleuchtung, was bedeutet, wahre, bedingungslose Liebe zu sein. Doch kannst du dir vorstellen, wie schwierig es für Eltern werden kann, wenn sie anfangen zu verstehen, dass einerseits das Leben nicht eine Frage von Tun, sondern von Geschehen ist, welches ein singuläres Fließen ohne einen Anfang oder ein Ende und ohne Ursache und Wirkung ist, und dass andererseits Erziehung nichts damit zu hat, die Kinder kontrollieren zu wollen, sondern eine Frage von Vertrauen ins Leben ist? Verstehe, dass das Leben nur auf eine einzige Weise fließen wird, die nicht vom Verstand aufgehalten werden kann.

 

Wenn Eltern erkennen, dass all ihre Überzeugungen über Kindererziehung illusionär sind, werden sie langsam aufhören, ihre Kinder zu formen, herum zu kommandieren und zu kritisieren; wenigstens werden sie es nicht mehr so ernst nehmen. Und dies ist auch etwas, was einfach geschieht, wenngleich illusionär.

 

Lehrer, Nachbarn, Großeltern, Ehemann, Ehefrau und die ganze illusionäre Gesellschaft wird sich wahrscheinlich auf sie stürzen mit Sprüchen über Verantwortung und werden vielleicht sogar ihr aufkeimendes Verständnis angreifen, indem sie es als Wahnsinn und Egoismus bezeichnen. So ist die Macht der Illusion! Und auch dies geschieht einfach, wenn es bestimmt ist zu geschehen. Die Tiefe des Verständnisses reflektiert die Qualität des Sprechens und Handelns, wenngleich illusionär. Verstehe dies, dann wird ganz natürlich Mitgefühl aufkommen.

 

Die Absicht - wenn sie geschieht -, wirklich frei zu sein von allen illusionären Überzeugungen über Kindererziehung, muss also sehr stark sein, um diese illusionären Hindernisse zu überwinden! Nichtsdestoweniger sollte man Erleuchtung nicht zu einem Ziel für die Zukunft machen, denn das Leben ist das erleuchtete, gedankenfreie „Hier“ und das zeitlose „Jetzt“, welches bedingungslose Liebe selbst ist. Es offenbart sich selbst durch das Verständnis, dass der Verstand, dessen Konzepte über Liebe von Bedingungen abhängige „Liebe“ sind, illusionär ist.

 

Es ist sehr empfehlenswert, einen wahren Meister zu treffen, der als Führer durch die Illusionen der Kindererziehung ebenso wie durch all die anderen Illusionen des Lebens fungiert. Sein Vertrauen ins Leben wirkt auf all jene ansteckend, die dafür offen sind. Denjenigen zeigt der Meister auch die Kraft in ihnen selbst, die alle Widerstände gegen ein wahres Verständnis von Kindererziehung und gegen das Leben, wie es wirklich ist, überwindet. Die Autoren sind einem solchen Meister in Dr. Vijai S. Shankar begegnet, der dem Leben vertraut und erkennt, was das Leben ist und was der Verstand nicht ist!

 

© Copyright 2010 Marcus Stegmaier und Yvonne Machacek-Stegmaier, Eltern of Mara (8), Anna-Lea (5) und Lou (1)

 

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